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VfGH G 3/97 nicht publ.
VfGH G 3/97
VfGH G 3/97
nicht publ.
02. 10. 1997
02. 10. 1997

Anm.: keine Textänderung, zusätzliche Information, vgl. VfGH: § 343 Abs. 4 letzter Satz, keine Bedenken, VfSlg 14.937; zum Publikations- und Inkrafttretedatum: es erfolgte keine Kundmachung im Bundesgesetzblatt; aus technischen Gründen musste aber ein Wert eingegeben werden.

§ 343 Abs 4 letzter Satz ASVG, BGBl Nr 189/1955, idF BGBl Nr 647/1982 wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Kündigung eines privatrechtlichen Verhältnisses führt im allgemeinen schon als solche zur Beendigung des Vertrages. Keine Verfassungsvorschrift verhält den Gesetzgeber dazu, die Anfechtung einer privatrechtlichen Kündigung vorzusehen. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, den Eintritt der (vorläufigen) Wirksamkeit einer Kündigung erst nach der allfälligen Abweisung eines gegen die Kündigung eingebrachten Rechtsbehelfs eintreten zu lassen, wenn die Regelung nur sonst sachlich ist.

Ist die ex lege vorgesehene aufschiebende Wirkung eines gegen die ausgesprochene Kündigung erhobenen Einspruches verfassungsrechtlich unbedenklich, so ist es auch nicht unsachlich, wenn für den Fall der Berufung eines gekündigten Arztes gegen die einen Einspruch abweisende Entscheidung der Landesschiedskommission die aufschiebende Wirkung nur dann vorgesehen ist, wenn der Sozialversicherungsträger einem solchen Antrag zustimmt.

Die Regelung, wonach für das Berufungsverfahren vor der Bundesschiedskommission eine aufschiebende Wirkung nur dann zu bewilligen ist, wenn der Krankenversicherungsträger einem solchen Antrag zustimmt, läuft darauf hinaus, daß diese Wirkung davon abhängt, daß beide Vertragspartner sie wollen.

§ 343 Abs 4 letzter Satz ASVG bewirkt nichts anderes als eine vorläufige -- einvernehmliche -- Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für die Dauer des schwebenden Berufungsverfahrens, was den Parteien auch ohne diese Regelung zu vereinbaren freistünde; darin kann keine Unsachlichkeit erblickt werden.

VfGH 01. 10. 1997, G3/97

1. Der Beschwerdeführer des zu B 2740/96 protokollierten Anlaßverfahrens ist praktischer Arzt in W. Am 21. Juli 1993 kündigte die Wiener Gebietskrankenkasse den mit ihm abgeschlossenen Einzelvertrag vom 1. Juni 1978 betreffend Vorsorgeuntersuchungen zum 30. September 1993. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Einspruch, der im dritten Rechtsgang (die im ersten und zweiten Rechtsgang erlassenen Bescheide der Landesschiedskommission wurden jeweils von der Bundesschiedskommission aufgehoben, die die Schiedssache in beiden Rechtsgängen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Landesschiedskommission zurückverwiesen hat) mit Bescheid der Landesschiedskommission vom 14. Mai 1996 abgewiesen wurde.


Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung an die Bundesschiedskommission, in der er unter anderem die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung begehrte.


Mit Bescheid der Bundesschiedskommission vom 31. Juli 1996 wurde der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen, weil gemäß § 343 Abs 4 ASVG eine vom gekündigten Arzt eingebrachte Berufung an die Bundesschiedskommission ohne Zustimmung des Krankenversicherungsträgers keine aufschiebende Wirkung habe, die erforderliche Zustimmung jedoch nicht erteilt worden sei.


Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine auf Art 144 B-VG gestützte (und, wie bereits eingangs erwähnt, zu B 2740/96 protokollierte) Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.


2. Bei der Beratung über diese Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des letzten Satzes des § 343 Abs 4 ASVG, BGBl Nr 189/1955 idF BGBl Nr 647/1982 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluß vom 9. Dezember 1996 gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung eingeleitet.


3. Die in Prüfung gezogene Bestimmung steht im folgenden rechtlichen Zusammenhang: § 343 ASVG regelt die Aufnahme der Ärzte in die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abgeschlossenen Gesamtverträge in Form von Einzelverträgen sowie die Auflösung dieser Vertragsverhältnisse. Abs 2 dieser Bestimmung enthält eine taxative Aufzählung der Fälle, in denen das Vertragsverhältnis zwischen dem Vertragsarzt und dem Träger der Krankenversicherung ohne Kündigung erlischt. Von dieser Bestimmung sind insbesondere jene Fälle erfaßt, in denen der Vertragsarzt wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener gerichtlicher strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe oder wegen einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen gerichtlichen strafbaren Handlung oder aber im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes wegen groben Verschuldens durch ein Strafgericht rechtskräftig verurteilt wurde. Abs 3 regelt Fälle, in denen der Träger der Krankenversicherung zur Auflösung des Vertragsverhältnisses mit einem Vertragsarzt verpflichtet ist. § 343 Abs 4 ASVG idF BGBl Nr 647/1982 enthält nähere Regelungen hinsichtlich der Kündigung einschließlich des Rechtsschutzes gegen diese. Die Bestimmung hat folgenden Wortlaut (der in Prüfung gezogene letzte Satz hervorgehoben):


"(4) Das Vertragsverhältnis kann unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 3 von beiden Teilen unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Kündigt der Träger der Krankenversicherung, so hat er dies schriftlich zu begründen. Der gekündigte Arzt kann innerhalb von zwei Wochen die Kündigung bei der Landesschiedskommission mit Einspruch anfechten. Die Landesschiedskommission hat innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen des Einspruches über diesen zu entscheiden. Der Einspruch hat bis zum Tag der Entscheidung der Landesschiedskommission aufschiebende Wirkung. Die Landesschiedskommission kann die Kündigung für unwirksam erklären, wenn sie für den Arzt eine soziale Härte bedeutet oder nicht eine so beharrliche oder eine so schwerwiegende Verletzung des Vertrages oder der ärztlichen Berufspflichten im Zusammenhang mit dem Vertrag vorliegt, daß die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses für den Träger der Krankenversicherung nicht zumutbar ist. Eine vom gekündigten Arzt eingebrachte Berufung an die Bundesschiedskommission hat ohne Zustimmung des Krankenversicherungsträgers keine aufschiebende Wirkung."


4. Der Verfassungsgerichtshof ging bei Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens davon aus, daß die in Prüfung gezogene Bestimmung bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet wurde und daß auch er sie bei der Entscheidung über die an ihn gerichtete Beschwerde anzuwenden hätte.


Seine Bedenken gegen die in Prüfung gezogene Bestimmung formulierte der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß wie folgt:


". . . Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, daß der letzte Satz des § 343 Abs. 4 ASVG mit dem aus dem Gleichheitssatz erfließenden Sachlichkeitsgebot der Bundesverfassung unvereinbar ist:


. . . Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt zwar nicht, daß die berechtigten Interessen des Krankenversicherungsträgers in bestimmten Fällen über jene des Arztes zu stellen sind und einen Ausschluß der aufschiebenden Wirkung im Berufungsverfahren rechtfertigen können.


. . . Dem Verfassungsgerichtshof ist aber einstweilen kein sachlicher Grund dafür erkennbar, warum die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gerade von der Zustimmung des Krankenversicherungsträgers durch dessen Kündigung des Einzelvertrages für den Gekündigten gerade jene soziale Härte bewirkt wurde, aufgrund derer die Kündigung von der Bundesschiedskommission gegebenenfalls für unwirksam zu erklären ist, abhängig gemacht wird.


Auch ist nicht zu erwarten, daß der Krankenversicherungsträger, der eine Kündigung deshalb ausspricht, weil er dem Arzt eine beharrliche oder schwerwiegende Verletzung des Vertrages oder der ärztlichen Berufspflichten im Zusammenhang mit dem Vertrag anlastet, einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zustimmt. Dies selbst dann, wenn seine subjektive Einschätzung von der Bundesschiedskommission nicht geteilt wird. Der Umstand, daß in erster Instanz bereits eine Entscheidung vorliegt, die die Rechtmäßigkeit der Kündigung bestätigt, ist nach vorläufiger Einschätzung des Verfassungsgerichtshofes nicht von solchem Gewicht, daß sie die in Prüfung gezogene Regelung sachlich tragen könnte. Denn die Rechtsrichtigkeit von Entscheidungen der Landesschiedskommission -- es handelt sich um eine paritätisch zusammengesetzte Kollegialbehörde, die kein Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK bildet -- ist nicht in einem solchen Maße gewährleistet, daß eine Aufhebung oder Abänderung durch die Bundesschiedskommission -- diese hat Tribunalqualität nach Art. 6 EMRK -- nicht zu erwarten wäre.


Dazu kommt, daß nach einer Aufhebung der Entscheidung der Landesschiedskommission durch die Bundesschiedskommission die aufschiebende Wirkung, die aufgrund des Einspruches im Verfahren vor der Landesschiedskommission ex lege gilt, wieder aufleben würde. Die dadurch entstehende Situation, daß in einem Verfahren die Kündigung abwechselnd unwirksam und wirksam ist, dürfte die Bedenken noch vertiefen, zumal es (wie in dem der vorliegenden Beschwerde zugrunde liegenden Verfahren geschehen) auch mehrmals zur Aufhebung von Bescheiden der Landesschiedskommission durch die Bundesschiedskommission kommen kann.


Überdies scheint hinsichtlich der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den in Prüfung gezogenen letzten Satz des § 343 ASVG im Ergebnis die Rolle von Anfechtungsgegner und entscheidungsbefugter Instanz gleichzeitig in die Hand des Krankenversicherungsträgers gelegt zu sein, was mit dem Gleichheitsgebot ebenfalls nicht vereinbar sein dürfte.


. . . Dazu kommt, daß durch den in Prüfung gezogenen letzten Satz des § 343 ASVG hinsichtlich der Beendigung des Vertragsverhältnisses eine besondere Situation geschaffen wird, die auch vor dem Hintergrund der beschränkten Möglichkeit der Ärzte in bezug auf potentielle Vertragspartner gesehen werden muß. Durch § 343 ASVG sind Ärzte in allen Fällen einer extrem kurzfristigen und mit dem Abstellen auf das Quartalsende auch häufig nützbaren Kündigungsmöglichkeit durch den Krankenversicherungsträger ausgesetzt, die aus Sicht der betroffenen Ärzte sogar ungünstiger ist als die gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine für Angestellte. Eine derartige, praktisch jederzeit mögliche Kündigung ohne Rücksicht auf die üblicherweise für lange Zeit angestrebte Vertragsdauer steht nun aber mit der wirtschaftlichen Bedeutung des Einzelvertrages für den Arzt in einem gewissen Spannungsverhältnis: Gibt es doch auf der einen Seite eine faktische Monopolstellung des Krankenversicherungsträgers auf der Anbieterseite, die den Arzt in der Möglichkeit der Wahl von Vertragspartner erheblich einschränkt, sodaß adäquate anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten praktisch ausgeschlossen sind. Es ist auch davon auszugehen, daß ein Arzt im Hinblick auf den Einzelvertrag in der Regel auch wirtschaftliche Dispositionen längerfristiger Art, wie die Anschaffung von teuren Apparaturen oder das Eingehen von kostenintensiven Mietverträgen, vornimmt. Die in Prüfung gezogene Bestimmung scheint auch im Lichte dieser Erwägungen unsachlich zu sein."


5.1. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die in Prüfung gezogene Regelung im wesentlichen wie folgt verteidigt:


". . . Die Entscheidung einer unabhängigen Behörde -- hier der Landesschiedskommission -- impliziert eine höhere Richtigkeitsgarantie. Der Verfassungsgerichtshof hat die Berücksichtigungswürdigkeit dieses Umstandes in seinem Erkenntnis VfSlg 12.683/1991 (betreffend § 61 Abs. 1 Z 2 ASGG) im Rahmen der Sachlichkeitsprüfung auch ausdrücklich anerkannt.


. . . Dem vom Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Erörterung des Maßes an Rechtsrichtigkeit der Entscheidung der Landesschiedskommission vorgebrachten Argument, diese sei in geringerem Maße gegeben, da es sich um kein Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK handle, ist folgendes entgegenzuhalten:


Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg 13.895/1994 unter Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg 11.729/1988 zu Recht erkannt, daß es im Hinblick auf Art. 6 EMRK zulässig sei, der Entscheidung durch ein Tribunal (die Bundesschiedskommission ist -- auch nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes ein Tribunal im Sinne der EMRK) ein Verfahren vor einer weisungsgebundenen Verwaltungsbehörde vorzuschalten. Wenn es aber zulässig ist, der Entscheidung der Bundesschiedskommission (also eines Tribunals) die Entscheidung einer Behörde ohne Tribunalqualität vorzuschalten, so kann dem Gesetzgeber nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Mag auch die Landesschiedskommission keine Tribunalqualität im Sinne des Art. 6 EMRK aufweisen, so gewährleistet ihre Zusammensetzung (je zwei von der zuständigen Ärztekammer bzw. vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger zu entsendende Beisitzer, Vorsitz: Richter des Ruhestandes) nach Ansicht der Bundesregierung noch zumindest eine solche Rechtsrichtigkeit, wie sie in einem Verwaltungsverfahren nach dem AVG in der Regel erzielt wird. Das daran anschließende Verfahren vor der Bundesschiedskommission könnte mit dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof verglichen werden: die Entscheidungen dieser Kollegialbehörde im Sinne des Art. 133 Z 4 B-VG unterliegt nicht mehr der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. In einem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist jedoch eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht vorgesehen.


. . . Der Gesetzgeber hat durch den in Prüfung gezogenen letzten Satz des § 343 Abs. 4 ASVG eine Interessensabwägung zwischen den Interessen der Patienten und der Sicherstellung medizinischer Betreuung unter Beachtung ökonomischer Grundsätze durch den Krankenversicherungsträger einerseits und den Interessen des Vertragsarztes andererseits getroffen. Die für die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung typische Abwägungsverpflichtung zwischen existentiellen Interessen des Rechtsschutzsuchenden (etwa soziale Härte für den Arzt) und öffentlichen Interessen (etwa beharrliche oder schwerwiegende Verletzung des Vertrages oder der ärztlichen Berufspflicht im Zusammenhang mit dem Vertrag) wird aber aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Normierung nicht erst im Verfahren über die Gewährung der aufschiebenden Wirkung im Rechtsmittelverfahren, sondern ex lege bereits im erstinstanzlichen behördlichen Verfahren im Rahmen der Entscheidung in der Sache selbst von der Landesschiedskommission vorgenommen.


Im Hinblick auf die im Verfahren von der Landesschiedskommission festgestellten und von ihr eingehend geprüften Prämissen (nämlich: Vorliegen einer so beharrlichen und schwerwiegenden Verletzung des Vertrages oder der ärztlichen Berufspflichten im Zusammenhang mit dem Vertrag, daß die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses für den Krankenversicherungsträger unzumutbar ist oder keine soziale Härte für den Arzt) kann es daher nach Ansicht der Bundesregierung als zumutbar angesehen werden, die aufschiebende Wirkung im weiteren Verfahren nur in besonderen Fällen zu gewähren.


Damit trägt die angefochtene Regelung der Position des Rechtsschutzsuchenden auch nicht weniger Rechnung, als ein im Anschluß an ein Verfahren nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 durchgeführtes Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof oder dem Verfassungsgerichtshof. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, daß die Sozialversicherungsträger bei der Kündigung eines Vertrages gemäß § 343 Abs. 4 ASVG nicht wie Private vorgehen dürfen, sondern als Organe eines gesetzlich eingerichteten Rechtsträgers im Rahmen des sie ermächtigenden Gesetzes handeln müssen. Sie sind daher schon bei der Kündigung an die in § 344 ASVG vorgeschriebenen Bedingungen gebunden. Im gegenständlichen Fall korrespondiert daher die Kündigung mit einem erstinstanzlichen Bescheid im Verfahren nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 insofern, als dadurch jeweils die rechtlich relevante Entscheidung über einen bestimmten Sachverhalt erfolgt. Im Sinne des § 343 Abs. 4 ASVG kommt nun einem nach erfolgter Kündigung eingebrachten Einspruch im erstinstanzlichen Verfahren vor der Landesschiedskommission (das im Sinne des vorangehenden Satzes eigentlich bereits die zweite Verfahrensstufe nach der erfolgten Kündigung darstellt) ex lege aufschiebende Wirkung zu, während der Berufung (die damit bereits die dritte Verfahrensstufe einleitet) aufschiebende Wirkung nur in Ausnahmefällen zuerkannt werden kann. Nun sieht aber für die zweite Verfahrensstufe -- nämlich für das Berufungsverfahren -- § 64 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 grundsätzlich die aufschiebende Wirkung vor. Dem entspricht die ausnahmslose Gewährung der aufschiebenden Wirkung im Einspruchsverfahren nach § 343 Abs. 4 ASVG. In den an das Verfahren nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 anschließenden Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bzw. dem Verfassungsgerichtshof (also gleichsam in der dritten Verfahrensstufe) gilt, daß Beschwerden vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. etwa § 30 VwGG, § 85 VerfGG).


. . .


. . . Zum Argument des Verfassungsgerichtshofes, wonach durch die angefochtene Bestimmung eine Situation entstehen würde, in welcher in einem Verfahren die Kündigung abwechselnd wirksam und unwirksam sei, ist folgendes anzumerken: Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zum Rechtsstaatsprinzip (vgl. insbesondere VfSlg. 11.196/1989, VfSlg. 13.003/1992, VfSlg. 13.305/1992) ausgeführt, daß Rechtsschutzeinrichtungen eines Mindestmaßes an faktischer Effizienz bedürfen. Der Rechtsschutzsuchende darf nicht generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung belastet werden. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber eine Abwägung zwischen der Position des Rechtsschutzsuchenden, dem Zweck und Inhalt der Regelung sowie den Interessen Dritter und dem öffentlichen Interesse durchzuführen, wobei der faktischen Effizienz des Rechtsmittels der Vorrang zukomme.


. . . Aus den dargestellten Erfordernissen der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist jedoch nicht der Schluß zu ziehen, daß eine gesetzliche Regelung, welche derart gestaltet ist, daß sie ein Rechtsmittel grundsätzlich nicht mit aufschiebender Wirkung ausstattet, also die Vollstreckbarkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung vor Rechtskraft zuläßt, verfassungswidrig wäre. Dies muß wohl auch für den gegenständlichen Fall gelten, wobei dem Rechtsmittel in erster Instanz aufschiebende Wirkung ex lege zukommt und der Berufung an die Bundesschiedskommission diese aufschiebende Wirkung von der Zustimmung des Krankenversicherungsträgers abhängig gemacht wird. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes besteht nämlich hinsichtlich der Ausgestaltung von Rechtsmitteln mit aufschiebender Wirkung ein erheblicher rechtspolitischer Gestaltungsspielraum.


. . . In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf das Erkenntnis VfSlg. 11.196/1986 hinzuweisen, in dem der Verfassungsgerichtshof ausgeführt hat, daß die Frage, wie ein Rechtsschutzsystem ausgestattet ist, im rechtspolitischen Ermessen des Gesetzgebers liege: ÄEs kommt nicht darauf an, wie er es rechtstechnisch ausgestaltet (z.B. festlegt, daß und in welchem Umfang auf Parteiverlangen einem Rechtsmittel durch die Abgabenbehörde erster oder zweiter Rechtsstufe aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist), sondern ob das System den Rechtsschutz im umschriebenen Sinn gewährleistet.Ä


. . . Wenn nun das Rechtsstaatsprinzip nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht gebietet, ein Rechtsmittel in jeder Rechtsstufe mit aufschiebender Wirkung auszugestalten, dann kann der in Prüfung gezogenen Bestimmung des § 343 Abs. 4 ASVG -- die den rechtsstaatlichen Erfordernissen entspricht -- andererseits auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß durch diese Bestimmung der Zustand eintreten könne, daß eine Kündigung abwechselnd wirksam und unwirksam sei.


. . . Was die Einheit von Anfechtungsgegner und entscheidungsbefugter Instanz hinsichtlich der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anlangt, so ist dies als Besonderheit des Schiedsverfahrens zu sehen. Durch dieses wird es einer Verfahrenspartei in die Hand gegeben, ein Rechtsinstitut zu gestalten. Wenn sogar der gänzliche Ausschluß der aufschiebenden Wirkung -- wie soeben dargestellt -- verfassungskonform ist, so ist auch deren ausnahmsweise Gewährung, und zwar mit Zustimmung dessen, zu dessen Lasten sie geht, als gerechtfertigt anzusehen. Dies umsomehr, als sich auch die Verfahrenspartei bei Ausübung dieses Gestaltungsmittels im Sinne des Gesetzes, das heißt ihres gesetzlichen Auftrags als juristische Person öffentlichen Rechts, zu verhalten haben wird."


Die Bundesregierung stellt abschließend den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß die in Prüfung genommene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben ist. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.


5.2. Auch die Wiener Gebietskrankenkasse als beteiligte Partei hat eine Stellungnahme abgegeben, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt. Der Beschwerdeführer des Anlaßverfahrens ist den Ausführungen der Wiener Gebietskrankenkasse mit einer "Gegenäußerung" entgegengetreten; überdies hat er eine weitere Äußerung erstattet, in der er zum Teil zusätzliche Bedenken geltend macht.


6. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:


6.1. Der Annahme des Einleitungsbeschlusses, daß die in Prüfung gezogene Regelung in dem angefochtenen Bescheid des Anlaßverfahrens angewendet wurde und daß sie auch der Gerichtshof bei der Entscheidung über die an ihn gerichtete Beschwerde anzuwenden hätte, ist keine Partei des Gesetzesprüfungsverfahrens entgegengetreten. Es ist nichts hervorgekommen, was gegen die Präjudizialität, wie sie der Verfassungsgerichtshof in seinem Einleitungsbeschluß angenommen hat, sprechen würde. Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.


6.2. Die im Einleitungsbeschluß aufgeworfenen Bedenken erweisen sich indes als nicht zutreffen:


6.2.1. Das Rechtsverhältnis zwischen Ärzten und Sozialversicherungsträgern wird durch privatrechtliche Verträge geregelt. Die Kündigung eines Einzelvertrages eines Arztes durch den Sozialversicherungsträger kann durch Einspruch an die Landesschiedskommission angefochten werden. Über eine Berufung gegen eine Entscheidung der Landesschiedskommission hat sodann die Bundesschiedskommission zu erkennen.


Nach § 343 Abs 4 ASVG kommt dem Einspruch eines Vertragsarztes gegen die Kündigung seines Einzelvertrages durch den Sozialversicherungsträger im Verfahren vor der Landesschiedskommission ex lege aufschiebende Wirkung zu. Die Kündigung wird daher nicht wirksam, bevor über den Einspruch durch die Landesschiedskommission entschieden wurde.


Demgegenüber kommt der Berufung eines Vertragsarztes gegen eine Entscheidung der Landesschiedskommission, mit der seinem Einspruch keine Folge gegeben wurde, im Verfahren vor der Bundesschiedskommission nur dann aufschiebende Wirkung zu, wenn der Sozialversicherungsträger und damit der Berufungsgegner einem Antrag auf Bewilligung der aufschiebenden Wirkung die Zustimmung erteilt; ansonsten treten die vollen Wirkungen einer rechtswirksamen Kündigung ein, wenn der Sozialversicherungsträger als Berufungsgegner einem Antrag auf Bewilligung der aufschiebenden Wirkung nicht zustimmt.


6.2.2. Dem Einspruch gegen die Kündigung eines Einzelvertrages kommt also ex lege aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung der Landesschiedskommission zu, ohne daß es eines darauf abzielenden Antrages bedarf.


Gleiches ist für das Berufungsverfahren vor der Bundesschiedskommission nicht vorgesehen. Die Bundesschiedskommission kann über eine Berufung gegen einen den Einspruch abweisenden Bescheid der Landesschiedskommission die aufschiebende Wirkung durch Bescheid (vgl VfSlg 14.195/1995) nur dann zuerkennen, wenn der Krankenversicherungsträger einem vom gekündigten Arzt gestellten Antrag seine Zustimmung erteilt; der Bundesschiedskommission steht daher insofern nur eine gebundene Entscheidung zu.


6.3. Indes ist zu beachten, daß es im Verfahren vor beiden in Rede stehenden Instanzen um die Überprüfung der Zulässigkeit der Kündigung eines privatrechtlichen Verhältnisses geht, die im allgemeinen schon als solche zur Beendigung des Vertrages führt. Der Fall liegt daher anders als bei Herbeiführung einer Rechtsfolge durch ein staatliches Organ. Keine Verfassungsvorschrift verhält den Gesetzgeber dazu, die Anfechtung einer privatrechtlichen Kündigung vorzusehen, dem Gesetzgeber stünde es vielmehr frei, gegen rechtswidrige Kündigungen andere Rechtsbehelfe vorzusehen, wie etwa die Unwirksamkeit (Nichtigkeit) oder den Schadenersatz. Der Gesetzgeber ist aber auch nicht gehindert, den Eintritt der (vorläufigen) Wirksamkeit einer Kündigung erst nach der allfälligen Abweisung eines gegen die Kündigung eingebrachten Rechtsbehelfs eintreten zu lassen, wenn die Regelung nur sonst sachlich ist.


Der Verfassungsgerichtshof hat im Einleitungsbeschluß zwar darauf verwiesen, daß Vertragsärzte angesichts der faktischen Monopolstellung der Krankenversicherungsträger, welche die Ärzte in der Möglichkeit der Wahl von Vertragspartnern erheblich einschränkt, im Hinblick auf getroffene oder zu treffende notwendige wirtschaftliche Dispositionen längerfristiger Art wie die Anschaffung von teuren Apparaturen durch den Wegfall des Vertragsverhältnisses in eine besonders mißliche Lage geraten können.


Ist jedoch die ex lege vorgesehene aufschiebende Wirkung eines gegen die ausgesprochene Kündigung erhobenen Einspruches verfassungsrechtlich unbedenklich, so ist es auch nicht unsachlich, wenn für den Fall der Berufung eines gekündigten Arztes gegen die einen Einspruch abweisende Entscheidung der Landesschiedskommission die aufschiebende Wirkung nur dann vorgesehen ist, wenn der Sozialversicherungsträger einem solchen Antrag zustimmt.


Tatsächlich läuft die in Prüfung gezogene Regelung, wonach für das Berufungsverfahren vor der Bundesschiedskommission eine aufschiebende Wirkung dann und nur dann zu bewilligen ist, wenn der Krankenversicherungsträger einem solchen Antrag zustimmt, im Ergebnis darauf hinaus, daß diese Wirkung davon abhängt, daß beide Vertragspartner sie wollen. Andernfalls tritt ex lege keine aufschiebende Wirkung ein; die Kündigung ist diesfalls (vorläufig) rechtswirksam.


Soweit im Einleitungsbeschluß schon der Umstand als bedenklich erachtet wurde, daß die Bewilligung der aufschiebenden Wirkung im Berufungsverfahren von einer Zustimmungserklärung des Berufungsgegners, also einer Prozeßpartei, abhängig ist, ist dem -- wiederum von der privatrechtlichen Natur des Vertragsverhältnisses und seiner Kündigung ausgehend -- entgegenzuhalten, daß mit der in Prüfung gezogenen Bestimmung nichts anderes bewirkt wird als eine vorläufige -- einvernehmliche -- Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für die Dauer des schwebenden Berufungsverfahrens, was den Parteien auch ohne die in Prüfung gezogene Regelung zu vereinbaren freistünde. Mit der in Prüfung gezogenen Regelung hat der Gesetzgeber den Parteien somit lediglich die Möglichkeit eröffnet, diese Wirkung durch ihre Prozeßerklärungen herbeizuführen und zu befristen, und damit die Rechtswirksamkeit der Kündigung einvernehmlich jedenfalls bis zur Beendigung des Berufungsverfahrens hinauszuschieben. Darin kann entgegen der Annahme des Einleitungsbeschlusses auch keine Unsachlichkeit erblickt werden.


Die Bedenken des Einleitungsbeschlusses haben sich daher nicht als zutreffend erwiesen, sodaß spruchgemäß zu erkennen war.


6.4. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.