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VfGH 11. 12. 2002 G 186/02
Erkenntnis
VfGH
G 186/02
11. 12. 2002

Die Anträge werden abgewiesen

Kosten werden nicht zugesprochen.

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit der 35. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 585/1980 wurde in § 255 Abs 4 ASVG erstmals ein spezieller Invaliditätsbegriff für versicherte Arbeiter ab dem vollendeten 55. Lebensjahr eingeführt, der (im wesentlichen) daran anknüpfte, daß ein Versicherter die in mindestens der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübte gleiche oder gleichartige Tätigkeit nicht mehr ausüben konnte. Mit der 39. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 590/1983, wurde mit § 273 Abs3 ASVG in der Fassung dieser Novelle ein entsprechender Berufsunfähigkeitsbegriff auch für Angestellte eingeführt.

Mit der 51. Novelle zum ASVG, Sozialrechts-Änderungsgesetz 1993, BGBl. Nr. 335/1993, wurde per 1.7.1993 (§ 551 Abs 1 Z 2 leg. cit.) in § 253d ASVG die Leistung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit im ASVG geschaffen, in welcher die bis dahin in § 255 Abs 4 und § 273 Abs 3 ASVG vorgesehenen Leistungen mit der Maßgabe aufgegangen sind, daß in § 253d Abs 1 Z 2 ASVG ein spezielles Anspruchserfordernis zusätzlich vorgesehen wurde.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (GP XVIII RV 932 BlgNR, 49) wird hierzu u.a. folgendes ausgeführt:

„Als eine Maßnahme im Interesse älterer, nicht mehr voll einsatzfähiger Langzeitarbeitsloser, die vorher schon längere Zeit der Versichertengemeinschaft angehört haben, wird mit der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit eine neue Leistung der Pensionsversicherung eingeführt, und zwar dadurch, daß die derzeit bestehenden Regelungen (Tätigkeitsschutz) bei Invalidität/Berufsunfähigkeit ab dem 55. Lebensjahr (§§ 255 Abs 4 , 273 Abs 3 ASVG) zu einer vorzeitigen Alterspension zusammengefaßt werden.“

2. Mit dem Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996, wurde das Anfallsalter für männliche Versicherte auf das vollendete 57. Lebensjahr erhöht; jenes für weibliche Versicherte blieb unverändert.

Mit dem ASRÄG 1997, BGBl. I Nr. 139/1997, wurde in § 253d Abs1 ASVG mit Wirkung vom 1.1.1998 zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen aufgenommen; durch die 55. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 138/1998 ebenfalls mit Wirksamkeit 1.1.1998, wurde § 253d ASVG ein Abs4 hinzugefügt.

§ 253d Abs1 ASVG lautete somit:

„Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit hat der Versicherte nach Vollendung des 57. Lebensjahres, die Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres, wenn er (sie)

1. die Wartezeit erfüllt hat (§ 236),

2. innerhalb der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag 72 Beitragsmonate der Pflichtversicherung nachweist,

3. in mindestens der Hälfte der Beitragsmonate nach diesem Bundesgesetz während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (§ 223 Abs 2 ) eine gleiche oder gleichartige Tätigkeit ausgeübt hat,

4. infolge seines (ihres) körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr imstande ist, durch diese Tätigkeit (Z 3) wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt und

5. bereits seit mindestens 20 Wochen gemäß Z4 gemindert arbeitsfähig ist, wobei Zeiten des Anspruches auf Entgeltfortzahlung oder auf Krankengeld zu berücksichtigen sind.“

3. Eine gleichartige (seit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 ein unterschiedliches Anfallsalter für Männer und Frauen mit dem 57. bzw. dem 55. Lebensjahr vorsehende) Parallelbestimmung enthielt § 122c BSVG (eingeführt mit der 18. BSVG-Novelle, BGBl. Nr. 337/1993). Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sprach mit Urteil vom 23.5.2000, Slg. 2000 I-03625, Rechtssache C-104/98 (im folgenden auch: „Buchner“-Entscheidung), aus, daß das unterschiedliche Pensionsanfallsalter für Männer und Frauen für die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gem. § 122c BSVG gegen Art7 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19.12.1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit verstößt. Die Wirkung dieser Entscheidung wurde - mit näherer Begründung - nicht zeitlich begrenzt. Aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes war daher die in sämtlichen Sozialversicherungsgesetzen eingeführte Erhöhung des Anfallsalters für Männer auf 57 Jahre unbeachtlich.

4. In der Folge wurden daher bei allen Pensionsversicherungsträgern zahlreiche Anträge auf Erlangung einer Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gestellt (vgl. dazu den Antrag des OGH zu G186/02 S 6 und 7 mit Hinweis auf Rudda, in SoSi 2001, 337 ff).

5.1. Bereits zum Zeitpunkt der Verkündung des oben genannten EuGH-Urteiles bestand die Absicht, die vorzeitige Alterspension wegen Arbeitsunfähigkeit mit dem SRÄG 2000 zum 1. Oktober 2000 abzuschaffen. Dies ergibt sich aus den Materialien des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000 - SVÄG 2000, BGBl. I Nr. 43/2000; mit diesem Gesetz, kundgemacht am 7.7.2000, wurde unter dem Eindruck der „Buchner“-Entscheidung des EuGH § 253d ASVG, mithin die Anspruchsgrundlage für die vorzeitige Alterspension wegen Arbeitsunfähigkeit (rückwirkend) mit Ablauf des 30.6.2000 außer Kraft gesetzt ( § 587 Abs2 ASVG idF des SVÄG 2000).

Im Ausschußbericht (GP XXI, 187 Blg. NR) findet sich u.a. folgende Begründung dafür:

„Auf Grund des am 23. Mai 2000 verkündeten Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in der Rechtssache C-104/98, Buchner, wird die österreichische Rechtslage, nach der das Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (wegen Erwerbsunfähigkeit) für Frauen 55, für Männer 57 Jahre beträgt, als dem EG-Recht widersprechend angesehen, da dieser geschlechtsspezifische Unterschied der Richtlinie des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L 6, S 24) widerspricht. Nach der vorhergehenden Judikatur des EuGH zu dieser Richtlinie hat dieses Urteil zur Folge, dass das benachteiligte Geschlecht so lange Anspruch auf dieselben Vergünstigungen hat, als der nationale Gesetzgeber die EG-Widrigkeit nicht behoben hat. Daher haben de facto auf Grund dieses Urteils auch Männer einen Anspruch auf diese vorzeitige Alterspension bereits nach Vollendung des 55. Lebensjahres.

Mit Rücksicht darauf, dass im Entwurf eines SRÄG 2000 ohnehin die Aufhebung des § 253d ASVG samt Parallelbestimmungen mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 2000 vorgesehen ist, erweist es sich als notwendig, im Interesse der Rechtssicherheit sofort wirksame gesetzliche Maßnahmen zu setzen:

Entsprechend den im Entwurf eines SRÄG 2000 vorgesehenen Maßnahmen soll die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (wegen Erwerbsunfähigkeit) aufgehoben werden, und zwar bereits mit Wirksamkeit vom 1. Juli 2000.“

5.2. Gleichzeitig wurde mit derselben Novelle in §587 Abs3 ASVG angeordnet, daß die die vorzeitige Alterspension wegen Arbeitsunfähigkeit betreffenden Regelungen auf Personen weiterhin anzuwenden sind, die Anspruch auf diese Versicherungsleistung mit Stichtag vor dem 1.7.2000 haben.

5.2.1. § 587 Abs 4 ASVG in dieser Fassung bestimmte, daß § 253d ASVG auf männliche Versicherte, die nach dem 22.5.1943 geboren wurden und die diese vorzeitige Pension nach dem 22.5.2000 beantragt haben, nicht mehr anzuwenden ist.

5.2.2. Diese zuletzt erwähnte Regelung wurde mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000, SRÄG 2000, BGBl. I Nr. 92/2000, das am 11.8.2000 ausgegeben wurde, und mangels gegenteiliger Anordnung am 12.8.2000 in Kraft getreten ist, dahingehend abgeändert, daß Anträge auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, die nach dem 23.5.2000 und vor dem 2.6.2000 gestellt wurden, als Anträge auf Invaliditäts-(Berufsunfähigkeits-)Pension mit Stichtag 1.6.2000 zu werten sind.

5.3. Mit dem SVÄG 2000 wurde auch der Begriff der Invalidität in § 255 ASVG (wieder) erweitert, wobei Absatz 4 des § 255 leg. cit. seitdem wie folgt lautet:

„(4) Als invalid gilt auch der (die) Versicherte, der (die) das 57. Lebensjahr vollendet hat, wenn er (sie) infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner (ihrer) körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande ist, einer Tätigkeit, die er (sie) in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt hat, nachzugehen. Dabei sind zumutbare Änderungen dieser Tätigkeit zu berücksichtigen.“

Gem. § 587 Abs5 ASVG idF des SVÄG 2000 ist § 255 Abs 4 in der Fassung dieses Bundesgesetzes nur auf Versicherungsfälle anzuwenden, in denen der Stichtag nach dem 30.6.2000 liegt.

6.Hinsichtlich der nach Erlassung des EuGH-Urteils gestellten Anträge auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zum Stichtag 1.6.2000 hat der Oberste Gerichtshof (im folgenden: OGH) in mehreren Entscheidungen (z.B. 10 ObS 43/01y) ausgesprochen, daß die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000 eine mittelbare Diskriminierung männlicher Versicherter darstelle und daher aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes unbeachtlich sei. Im Ergebnis konnten daher sowohl Männer als auch Frauen bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen ab Vollendung des 55. Lebensjahres die von ihnen beantragte Versicherungsleistung in Anspruch nehmen.

Ebenso entschied der OGH in Fällen mit Stichtag 1.7.2000 (z.B. 10 ObS 189/01v).

II. 1. Mit am 16.5.2002 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten und zu G186/02 protokollierten Antrag begehrt der OGH die Aufhebung folgender Bestimmungen als verfassungswidrig:

„ in Artikel I des Bundesgesetzes BGBl I Nr 43/2000 (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 - SVÄG 2000)

aa) die Ziffer 1. ('Im § 222 Abs1 Z1 wird der Beistrich am Ende der litd durch einen Strichpunkt ersetzt; lite wird aufgehoben.'),

bb) die Ziffer 3 ('§ 236 Abs1 Z2 litb wird aufgehoben.'),

cc)in der Ziffer 4 die Worte 'und die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit',

dd) in der Ziffer 5 den Ausdruck 'oder eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 53d)',

ee) die Ziffer 6 (㤠253d wird aufgehoben.')

ff) in der Ziffer 9 das Zitat 'und 253d' und

gg) in der Ziffer 28 die Zitate 'Abs1 Z1 lite und', '236 Abs1 Z2 litb)' und '§ 253d' im § 587 Abs2 ASVG“.

2. Begründend führt er dazu folgendes aus:

2.1. Die am 25.9.1945 geborene, im gerichtlichen Verfahren klagende, Partei habe am 2.6.2000 bei der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten den Antrag auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gestellt; dieser Antrag sei jedoch mit Bescheid der beklagten Partei vom 1.8.2000 abgelehnt worden, da § 253d ASVG mit Ablauf des 30.6.2000 außer Kraft getreten sei, sodaß ein Leistungsanspruch ab 1.7.2000 nicht mehr festgestellt werden könne.

Zum Zeitpunkt der Antragstellung hatte der nunmehrige Kläger das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet. Zum Stichtag 1.7.2000 sei für den Kläger die begehrte Leistung unter keinen Umständen in Betracht gekommen.

Nach der Judikatur des antragstellenden Senates seien jedoch bestimmte Änderungen, wie etwa die Erreichung eines bestimmten, für die Anspruchsvoraussetzungen wesentlichen Lebensalters, die während eines sozialgerichtlichen Verfahrens einträten, für die Entscheidung zu berücksichtigen. Für den Kläger sei somit unter Rücksichtnahme auf sein Geburtsdatum Stichtag der 1.10.2000. Zu diesem Zeitpunkt habe die beantragte Leistung jedoch nicht mehr existiert.

2. Der OGH hegt gegen die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit folgendes Bedenken:

Es sei fraglich, ob das Nichtvorsehen eines Übergangszeitraumes für Versicherte, die nach dem Inkrafttreten des SVÄG 2000 (mit 1.7.2000) bei Weitergeltung der alten Rechtslage „erfolgversprechend“ einen Antrag auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit stellen hätten können, dem Gleichheitssatz entspreche.

Er führt dazu folgendes aus:

„Dabei ist zu bedenken, dass die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach den Gesetzesmaterialien zur 51. ASVG-Novelle (abgedruckt in Teschner/Widlar, MGA ASVG 74. Erg.Lfg, Anm 1 Zu §253d 'als eine Maßnahme im Interesse älterer, nicht mehr voll einsatzfähiger Langzeitarbeitsloser, die vorher schon längere Zeit der Versicherungsgemeinschaft angehört haben,' als neue Leistung der Pensionsversicherung eingeführt wurde, und zwar dadurch, dass die damals bestandenen Regelungen (Tätigkeitsschutz) bei Invalidität/Berufsunfähigkeit ab dem 55. Lebensjahr ( §§ 255 Abs 4, 273 Abs 3 ASVG) zu einer vorzeitigen Alterspension zusammengefasst wurden. Die geminderte Arbeitsfähigkeit nach § 253d ASVG ist in der Regel kein plötzliches Ereignis, das zur Invalidität ( § 255 ASVG) oder Berufsunfähigkeit ( § 273 ASVG) führt, sondern sie ist ein länger dauernder gesundheitlicher Prozess (zB chronische Abnützung des Stütz- und Bewegungsapparats), der eine konkrete Arbeitstätigkeit nicht mehr zulässt (vgl. Rudda, Pensionsreform 2000 - Verfassungsrecht und Vertrauensschutz, SozSi 2000, 477 ff [483]). Es ist daher bei der gebotenen Durchschnittsbetrachtung zu berücksichtigen, dass die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zu einem erheblichen Teil von Personen in Anspruch genommen wurde, die aus gesundheitlichen Gründen die dafür maßgebende Tätigkeit nicht mehr verrichten konnten und deshalb oft bereits längere Zeit arbeitslos waren oder sich im Krankenstand befunden haben und denen für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung dieser Pensionsleistung nur noch das Erreichen des vorgesehenen Anfallsalters fehlte. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bestimmung des § 253d Abs1 Z 5 ASVG zu verweisen, wonach der Anspruch auf eine Leistung nur dann besteht, wenn der Versicherte bereits seit mindestens 20 Wochen gemäß Z4 gemindert arbeitsfähig ist, wobei Zeiten des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung oder auf Krankengeld zu berücksichtigen sind.

Bei Beachtnahme auf diese Erwägungen bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die ohne jede 'abfedernde' Übergangsregelung erfolgte Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit.

Die abrupte Aufhebung des § 253d ASVG (und der mit dieser Norm im Zusammenhang stehenden §§ 222 Abs1 Z1 lite, 263 Abs1 Z2 litb ASVG sowie von Teilen in den §§ 236 Abs4 Z2, 253 Abs 3 und 261b Abs 2 ASVG) führt nämlich im Ergebnis zu einer Anhebung des Anfallsalters ohne Übergang vom vollendeten 55. Lebensjahr auf das vollendete 57. Lebensjahr, wobei auch die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen (Erfüllung der Wartezeit etc) für die als ' Ersatzlösung' neu geschaffene Pensionsleistung nach § 255 Abs4 ASVG idF SVÄG 2000 wesentlich verschärft wurden. Durch die Verzögerung des Pensionsantritts kann es für die Betroffenen zu einer erheblichen finanziellen Schlechterstellung (Bezug von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe) kommen, zumal auch das Anfallsalter für die vorzeitigen Alterspensionen bei Arbeitslosigkeit ( § 253a ASVG) und bei langer Versicherungsdauer ( § 253b ASVG) - stufenweise - erhöht wurde. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass bei einer Durchschnittsbetrachtung im Hinblick auf die Konsequenzen der Stichtagregelung des ASVG Dispositionen bereits vor Pensionsantragstellung zu treffen sind. So ist ein bestehendes Arbeitsverhältnis zu lösen, soll ein sofortiger Wegfall einer zuerkannten Pensionsleistung verhindert werden.

Bei anderen Pensionsformen aus dem Versicherungsfall des Alters hat der Gesetzgeber im Jahr 2000 längere Übergangsfristen vorgesehen. So sieht die vom Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagene Bestimmung des § 588 Abs15 ASVG idF SRÄG 2000 für den Fall der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer eine Übergangsregelung vor, zu der es im Ausschussbericht (254 BlgNR XXI. GP 8) heißt: 'Personen, die darauf vertraut haben, zwischen dem 1. Oktober 2000 und dem 1. Februar 2001 auf Grund der geltenden Rechtslage die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer in Anspruch nehmen zu können und deren Dienstverhältnis im Vertrauen auf diese Rechtslage gelöst wurde, sollen in diesem Vertrauen geschützt werden. Um zu verhindern, dass die Schutzbestimmung missbräuchlich genützt wird, sollen jene Personen in den Genuss der Frühpension bei langer Versicherungsdauer nach bisherigem Recht kommen, die nachweislich einen nach außen hin erkennbaren Schritt zur Pensionserlangung gestellt haben.' Es wird nicht übersehen, dass insofern ein struktureller Unterschied zwischen der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer einerseits und der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit andererseits besteht, als im ersten Fall ein Vertrauen darauf entstehen kann, im Hinblick auf die Dauer der Pflichtversicherung zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Pensionsleistung in Anspruch nehmen zu können. Da jedoch, wie bereits erwähnt, für die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit unter anderem Voraussetzung ist, dass der Versicherte bereits seit 20 Wochen gemindert arbeitsfähig ist, kann auch ein begründetes Vertrauen eines in seiner Arbeitsfähigkeit geminderten Versicherten darauf enttäuscht werden, dass nicht plötzlich das Anfallsalter für die Pension ohne jeden Übergang um zwei Jahre erhöht wird und auch die sonstigen Leistungsvoraussetzungen verschärft werden (vgl. §255 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000 im Verhältnis zu dem durch Art1 Z6 SVÄG 2000 aufgehobenen § 253d ASVG).

Auch im Bereich der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit (§ 253a ASVG), bei langer Versicherungsdauer ( § 253b ASVG) und der Gleitpension ( § 253c ASVG) wurde in § 588 Abs 6 ASVG idF SRÄG 2000 eine bis September 2002 reichende Übergangsregelung getroffen.

Wegen des Fehlens eines vergleichbaren Übergangszeitraums bei der Aufhebung des § 253d ASVG und der damit im Zusammenhang stehenden Bestimmungen sieht sich der Oberste Gerichtshof aufgrund der aufgezeigten Bedenken, die unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes sowie des in Art 5 StGG und Art1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK enthaltenen Eigentumsschutzes bestehen, veranlasst, einen entsprechenden Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Eine unmittelbare Anwendung einer den Kläger begünstigenden Norm des Gemeinschaftsrechts kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da der österreichische Gesetzgeber - soweit hier relevant - bereits vor Antragstellung durch den Kläger eine mit Art7 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19.12.1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit konforme Regelung geschaffen hat.“

2.3. In der Folge stellte der OGH aus Anlaß von bei ihm anhängigen Leistungsstreitverfahren zwei weitere Anträge auf Aufhebung der unter II.1. wiedergegebenen Bestimmungen. Diese Anträge sind zu den hg. Zahlen G187/02 und G202/02 protokolliert. Die Bedenken gleichen jenen, die der OGH in dem zu G186/02 protokollierten Antrag vorgebracht hat. Der Stichtag der jeweiligen klagenden Partei ist in beiden Fällen der 1.8.2000.

2.4. Der sprachlichen Einfachheit halber wird bei der Behandlung dieser Anträge im weiteren jedoch nur von dem zu G186/02 protokollierten - ersten - Antrag des OGH die Rede sein.

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die angefochtenen Bestimmungen verteidigt:

„... Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa VfSlg. 11.665/1988 sowie 14.846/1997) dargetan, dass keine Verfassungsvorschrift den Schutz erworbener Rechtspositionen gewährleistet, sodass es im Prinzip in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers fällt, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern. In dieser Rechtsprechung kommt jedoch auch zum Ausdruck, dass die Aufhebung oder Abänderung von Rechten, die der Gesetzgeber zunächst eingeräumt hat, sachlich begründbar sein muss. Weiters wird darin die Auffassung vertreten, dass auch Eingriffe in bestehende Rechtspositionen, die an sich sachlich gerechtfertigt sind, nicht die Minderung erworbener Rechte jedweder Art in jedweder Intensität sachlich begründen können (VfSlg. 11.309/1987). Dabei hat der Verfassungsgerichtshof auch zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber den Gleichheitssatz dann verletzt, wenn er bei Änderung der Rechtslage plötzlich und intensiv in erworbene Rechtspositionen eingreift, auf deren Bestand der Normunterworfene mit guten Gründen vertrauen konnte und auch nicht besondere Umstände vorliegen, die den Eingriff rechtfertigen (vgl. zB VfSlg. 11.288/1987, 12.186/1989, 12.568/1990, 13.461/1993).

Dass diesem - aus dem Gleichheitssatz erfließenden - Vertrauensschutz (VfSlg. 11.288/1987) gerade im Pensionsrecht besondere Bedeutung zukommt, hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt zum Ausdruck gebracht (vgl. dazu VfSlg. 12.568/1990, 14.090/1995). Der Vertrauensschutz bedarf insbesondere dann besonderer Beachtung, wenn Personen schon während ihrer aktiven Berufstätigkeit ihre Lebensführung auf den Bezug einer später anfallenden Pension eingerichtet haben (VfSlg. 14.867/1997). Zu berücksichtigen ist auch, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine Verletzung dieses Vertrauens bei Pensionisten besonders schwer wiegt, da diese Beiträge in der Erwartung entrichten, dass durch die Pensionierung kein erhebliches Absinken des während der Aktivzeit erzielten Standards der Lebensführung eintritt (vgl. VfSlg 11.309/1987, 11.665/1988, 12.568/1990).

... Im vorliegenden Fall wird insbesondere zu erörtern sein, inwiefern die Versicherten aufgrund der während ihrer Berufstätigkeit getroffenen Dispositionen eine zu schützende Rechtsposition erworben haben, die sodann - aufgrund der Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen - enttäuscht wurde und bejahendenfalls, inwieweit ein berechtigtes Vertrauen der Versicherten auf Beibehaltung der bisherigen Pensionsleistung bestanden hat. In diesem Zusammenhang darf insbesondere nicht außer Acht gelassen werden, dass den betroffenen Versicherten nunmehr die neu geschaffene Pensionsleistung nach §255 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000 offen steht. Weiters wird die Frage zu beantworten sein, inwiefern durch den Eingriff in eine allfällige Vertrauensposition die aus verfassungsrechtlicher Sicht relevante Intensität eines solchen Eingriffes gegeben ist.

Zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens:

... Der Verfassungsgerichtshof sieht als wesentliche Voraussetzung für das Bestehen eines verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes an, dass die Betroffenen 'in einem Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht werden, auf das sie sich berechtigterweise berufen konnten' (VfSlg. 12.241/1989, 12.322/1990, 12.186/1989). Hinsichtlich des Vertrauens der Normunterworfenen auf die bestehende Rechtslage stellt der Verfassungsgerichtshof auf eine Durchschnittsbetrachtung ab. Danach kommt es nicht darauf an, ob die Normunterworfenen tatsächlich - subjektiv - auf die Rechtslage vertraut haben, sondern vielmehr darauf, dass sie - objektiv - darauf vertrauen durften (VfSlg. 11.308/1987, 11.665/1988).

Hinsichtlich der Frage, ob es im vorliegenden Fall zu einem verfassungswidrigen Eingriff in eine schützenswerte Rechtsposition gekommen ist, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach Auffassung der Bundesregierung aufgrund der für die Revisionswerber der Ausgangsverfahren maßgeblichen Stichtage (1.7.2000 [Anm.: richtig 1.10.2000] bzw. 1.8.2000) vor dem Hintergrund des Inkrafttretens der Aufhebung mit 30. Juni 2000 (Kundmachung 7. Juli 2000) nicht vom Vorliegen eines durch die Verfassung geschützten Vertrauenstatbestandes gesprochen werden kann. Angesichts des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem für die Beurteilung der Rechtslage maßgeblichen Stichtag (des Erstklägers; der Stichtag des Zweitklägers liegt nach der Kundmachung der Aufhebung) und der Kundmachung der angefochtenen Bestimmungen erscheint es aus der Sicht der Bundesregierung ausgeschlossen, dass diesbezüglich eine zu schützende Vertrauensposition entstanden ist. Aus diesem Grund geht die Bundesregierung davon aus, dass allein wegen der kurzfristigen rückwirkenden Inkraftsetzung der Aufhebung des § 253d ASVG jedenfalls kein verfassungswidriger Eingriff in eine zu schützende Vertrauensposition stattgefunden hat.

Die Auffassung, dass eine allfällige Vertrauensposition deshalb entstanden sei, weil schon vor dem Zeitpunkt der maßgeblichen Stichtage Erwartungen geweckt bzw. Dispositionen getätigt wurden, kann aus folgenden Gründen nicht geteilt werden:

... Zwar mag es zutreffen, dass die in Betracht kommenden Personen im Hinblick auf die in § 253d ASVG getroffene Regelung im Zeitpunkt ihrer Antragstellung faktisch damit gerechnet haben, unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen einen Pensionsanspruch erworben zu haben und dass sie in dieser Erwartung durch die Beseitigung dieser Bestimmung aufgrund des § 587 Abs 2 ASVG idF BGBl. I Nr. 43/2000 enttäuscht wurden. Eine solche Enttäuschung kann aber jede Änderung der Rechtslage bewirken. Das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der geltenden Rechtslage genießt jedoch als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Es steht dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, die Rechtslage für die Zukunft anders und auch ungünstiger zu gestalten. Nur unter besonderen Umständen muss zur Vermeidung unsachlicher Ergebnisse Gelegenheit gegeben werden, sich rechtzeitig auf die neue Rechtslage einzustellen (vgl. VfSlg. 13.657/1993, 11.288/1987). Solche Umstände liegen aber - wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt - hier nicht vor.

... Im vorliegenden Fall ist zunächst zu bedenken, dass die Versicherten zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen konnten, dass die in § 253d ASVG normierte vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit keiner Novellierung unterzogen werden würde und die Voraussetzungen ihrer Gewährung jedenfalls unberührt blieben. In die den Antragstellern aufgrund des Gleichheitssatzes zukommende Vertrauensposition ist nicht deshalb eingegriffen worden, weil im Zeitpunkt ihrer Antragstellung die von ihnen begehrte Pension noch Bestandteil der Rechtsordnung war. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sich ein schutzwürdiges Vertrauen der Versicherten nicht primär darauf beziehen kann, durch einen Pensionsantritt ab einem bestimmten Alter eine Pension in bestimmter Höhe zu erhalten, sondern darauf, entsprechend versorgt zu sein. Dass eine solche Absicherung allein durch Gewährung einer Pension nach § 253d ASVG besteht, lässt sich nach Auffassung der Bundesregierung daraus nicht ableiten.

Aus diesem Grund können Regelungen, durch die die Zeit des Pensionsantrittes oder die Höhe der Pension geändert werden, nicht von vornherein als verfassungsrechtlich unzulässig qualifiziert werden. Vielmehr kann in solchen Fällen von einem verfassungswidrigen Eingriff nur dann gesprochen werden, wenn der Eingriff vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung unsachlich erscheint. Aus diesem Grund können Bestimmungen, die eine Versorgung im Falle einer geminderten Arbeitsfähigkeit auf andere gleichwertige Weise sichern, nicht als verfassungswidrig angesehen werden. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage besteht die Möglichkeit, eine Invaliditätspension gemäß § 255 Abs 4 ASVG zu beantragen, die im Wesentlichen - wie unten näher zitiert wird - von jener nach § 253d ASVG nicht abweicht. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Versicherten nicht schon während ihrer aktiven Berufstätigkeit ihre Lebensführung auf den Bezug einer später anfallenden Pension eingerichtet haben, weil sie zu diesem Zeitpunkt nicht davon ausgehen konnten, aufgrund einer möglicherweise eintretenden geminderten Arbeitsfähigkeit vorzeitig einen Pensionsanspruch zu erwerben.

... Die Auffassung, dass sich die Schutzwürdigkeit des Vertrauens nicht auf die Zuerkennung einer zu einem bestimmten Zeitpunkt konkret ausgestalteten Pensionsart beziehen kann, zeigt nicht zuletzt die Entwicklung der aufgehobenen Pensionsart. Die Bestimmung des § 253d ASVG ist - und zwar erst vor weniger als 10 Jahren, nämlich 1993 - aus der Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension hervorgegangen; es muss dem Gesetzgeber daher auch möglich sein, das geschützte Risiko (geminderte Arbeitsfähigkeit kombiniert mit einer Alterskomponente) erneut im Rahmen des Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit zu regeln, wie dies nunmehr in § 255 Abs4 ASVG idF des SVÄG 2000 vorgesehen ist (und schon in der Zeit vor dem 1. Juli 1993 vorgesehen war). Eine derartige Regelung fällt daher jedenfalls in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.

Dazu kommt noch, dass die vom EuGH festgestellte Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des unterschiedlichen Anfallsalters für Männer und Frauen bei der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ihren Grund vor allem darin findet, dass eben auch der Gerichtshof den Schwerpunkt des § 253d ASVG nicht in der Alterskomponente (auf die das entsprechende Überleitungsrecht für die Angleichung des Anfallsalters für Männer und Frauen anzuwenden wäre), sondern in dem durch diese Bestimmung primär geschützten Risiko der geminderten Arbeitsfähigkeit sieht.

... Nach Auffassung der Bundesregierung vermag auch der Umstand, dass gemäß § 253d Abs 1 Z 5 ASVG für die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit der Versicherte bereits seit mindestens 20 Wochen gemindert arbeitsfähig ist, kein begründetes Vertrauen darauf entstehen lassen, dass die Pensionsleistung nach § 253d ASVG für den Fall einer beabsichtigten Antragstellung jedenfalls zu gewähren sei. Dies ergibt sich schon daraus, dass dieser Zeitraum - im Gegensatz zu anderen Leistungen der Pensionsversicherung, bei denen über einen wesentlich längeren Zeitraum eine Vertrauensposition darauf entstehen kann, zu einem bestimmten absehbaren Zeitpunkt eine Pensionsleistung in Anspruch nehmen zu können - zu kurz erscheint, um eine aus verfassungsrechtlicher Sicht schützenswerte Vertrauensposition zu erlangen.

... Weiters ist darauf hinzuweisen, dass bereits ab der Kundmachung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, im Mai 1996 allgemein bekannt war, dass das Anfallsalter für Männer ab 1. September 1996 auf 57 Jahre hinaufgesetzt wird. Auch daraus ist zu ersehen, dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt die Versicherten keine schützenswerte Vertrauensposition dahingehend erlangt haben können, schon ab dem 55. Lebensjahr die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit in Anspruch nehmen zu können und im Hinblick darauf mittel- und langfristige Dispositionen zu treffen.

Schließlich ist zu bedenken, dass ab der Veröffentlichung des Urteils des EuGH für Antragsteller, deren Stichtag nach diesem Zeitpunkt liegt - im Hinblick auf die öffentliche Diskussion in sämtlichen Medien über die bereits seit Februar 2000 geplante Abschaffung des § 253d ASVG - keine zu schützende Vertrauensposition entstehen konnte. Weiters waren die Änderungen im Pensionsrecht seit den Koalitionsverhandlungen zu Beginn des Jahres 2000 in politischer und medialer Diskussion, sodass bei den Klägern mit Stichtagen zum 1. August bzw. 1. Oktober 2000 auch aus diesem Grund ein Vertrauensschutz nicht mehr gegeben war.

Darüber hinaus wurde eine große Zahl der in Rede stehenden Anträge während eines noch aufrechten Beschäftigungsverhältnisses gestellt, sodass eine Beeinträchtigung der Lebensplanung gar nicht stattgefunden haben konnte, sondern die Anträge auf die Berichterstattung in der Öffentlichkeit bzw. auf das Spezialwissen mancher Berater zurückzuführen waren. Eine zu schützende Vertrauensposition kann somit auch deshalb nicht entstanden sein, weil sich sozialrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zugunsten von Einzelpersonen auf Grund zufälliger Sachverhaltskonstellationen im Wesentlichen unvorhersehbar und nur für wenige Tage ergeben haben.

... Aus diesen Erwägungen kann nach Auffassung der Bundesregierung von einem auf guten Gründen basierenden - somit schutzwürdigen - Vertrauen in eine bestehende Rechtslage in den vorliegenden Fällen nicht gesprochen werden. Eine Verletzung wohlerworbener Rechtspositionen ist daher schon aus diesen Gründen zu verneinen.

Zur Intensität des Eingriffes:

... Sollte der Verfassungsgerichtshof allerdings die Auffassung vertreten, dass im vorliegenden Fall von einer schutzwürdigen Vertrauensposition der Versicherten auszugehen sei, so ist nach Auffassung der Bundesregierung die Verfassungskonformität der angefochtenen Bestimmungen schon deshalb gegeben, weil diese mangels Intensität des bewirkten Eingriffes die Verfassungssphäre nicht berühren.

... Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob ein schwerer oder ein geringfügiger Eingriff vorliegt; diesbezüglich kann die Grenze auch in Abhängigkeit von den Eingriffszielen zu ermitteln sein. Schwere Eingriffe sind nach der Judikatur des VfGH etwa die Einführung von Ruhebestimmungen (VfSlg. 11.665/19[8]8) oder die Nichtanrechnung von Ersatzzeiten bei der Pensionsbemessung (VfSlg. 12.732/1[99]1); einen geringfügigen Eingriff hingegen nahm der VfGH bei einer Kürzung von 1,4 Prozent der Pension (VfSlg. 14.867/1997) oder 1,5 Prozent des Aktivbezuges (VfSlg. 14.888/1997) bei Beamten an. In einem jüngeren Erkenntnis hatte der Verfassungsgerichtshof die Zulässigkeit der - ohne Übergangszeitraum eingeführten - Abschlagszahlung bei Beamten zu prüfen und kam dabei zum Ergebnis, dass die damit verbundene durchschnittliche Kürzung des Brutto-Ruhegenusses von rund 12% bei Beamten, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt werden, nicht gegen den Gleichheitssatz verstoße (VfSlg. 15.269/1998).

Bei der Prüfung der Intensität kann es auch darauf ankommen, ob eine Maßnahme plötzlich eingeführt wird und den Normadressaten wesentlich in seinem Vermögen oder seiner Lebensplanung beeinträchtigt. Das Prinzip der Sachlichkeit gebietet die Vermeidung von willkürlichen und unbegründeten Belastungen. Schließlich verlangt der Verfassungsgerichtshof, dass Belastungen nicht überproportional auf eine punktuell kleine Gruppe verteilt w[e]rd[en] (VfSlg. 11.665/[19]8[8] zu § 40a des Pensionsgesetzes 1965).

... Im folgenden ist daher zu zeigen, dass im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden kann, dass die in Rede stehende Maßnahme eine im Hinblick auf den Gleichheitssatz maßgebliche Intensität erreicht, die ihre Verfassungswidrigkeit begründen würde (vgl. auch die beiliegende Tabelle):

bereits in einigen Fällen im Hinblick auf die fehlende Intensität des Eingriffs die Verfassungskonformität der geprüften gesetzlichen Bestimmung an (siehe etwa VfSlg. 14.846/1997, 14.867/1997, 14.888/1997). Ausgehend von der Feststellung, dass die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen in jedem Fall geeignet waren, die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen (u.a. Entlastung des Bundeshaushaltes) und keinerlei Anzeichen dafür vorlagen, dass die Neuregelung 'punktuell gezielt eine relativ kleine Gruppe' von Personen getroffen hätte, verneinte der Verfassungsgerichtshof mangels Intensität in den zitierten Fällen das Vorliegen einer gleichheitswidrigen Regelung. Diese Wertung kann im Hinblick darauf, dass auch ein Anspruch auf Invaliditätspension (§ 255 Abs4 ASVG) geltend gemacht werden kann, auch auf den vorliegenden Fall übertragen werden.

... Zwar hatte die Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) durch den Gesetzgeber mit 30. Juni 2000 als Reaktion auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 23. Mai 2000 rasch zu erfolgen, allerdings trat gleichzeitig ab 1. Juli 2000 und für die Übergangsfälle mit Antragstellungen vom 24. Mai bis 1. Juni 2000 bereits ab 1. Juni 2000 ein neuer Berufsschutz (§ 255 Abs 4 ASVG) als Surrogat in Geltung.

Der neue Berufsschutz gilt für alle 57jährigen Männer und Frauen, die aufgrund von Krankheit oder Gebrechen nicht mehr imstande sind, einer während der letzten 180 Kalendermonate vor dem Pensionsstichtag durch mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübten Tätigkeit nachzugehen. Zumutbare Änderungen dieser Tätigkeit sind dabei zu berücksichtigen.

Von Bedeutung ist auch die Feststellung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (187 BlgNR, 21. GP), wonach nicht nur ein Berufsschutz für ungelernte Arbeiter und Angestellte ab 57 Jahren bejaht wird, sondern auch dann eine Änderung der Tätigkeit als unzumutbar erachtet wird, wenn gänzlich neue Tätigkeiten erlernt oder ein anderes arbeitskulturelles Umfeld eintreten würde (z. B. Beschäftigung eines Bauhilfsarbeiters in der Textilbranche). Ferner soll nach der Absicht des Gesetzgebers die berufliche Entwicklung bei der Anspruchsprüfung berücksichtigt werden, weswegen beispielsweise ein Bauhilfsarbeiter nicht auf einen Portierposten verwiesen werden dürfe.

Dies bedeutet in der Praxis, dass durch die Einschränkung der Verweisung und durch die Bedachtnahme (bei Hilfsberufen) auf die Karriere in den letzten 15 Jahren in hohem Maße ein Tätigkeitsschutz bei kontinuierlichen Erwerbsverhältnissen weiter bestehen bleibt.

... Da somit die durch die in Rede stehenden gesetzlichen Regelungen bewirkte Änderung der Pensionsanwartschaft nicht derart intensiv ist, dass sie einen sachlich nicht begründbaren Eingriff in erworbene Rechtspositionen bewirken würde, ist auch auszuschließen, dass diese Bestimmungen deshalb mit dem Gleichheitssatz im Widerspruch stehen, weil die Änderung nicht durch Übergangsbestimmungen in ihren Auswirkungen gemildert wurde (vgl. VfSlg. 14.846/1997, 15.269/1998).

Überdies ist zu beachten, dass der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen hat, ob der Gesetzgeber damit die sachgerechteste Lösung getroffen hat; die ihm durch den Gleichheitsgrundsatz gesetzte Grenze hat er nach Auffassung der Bundesregierung unter den gegebenen Umständen jedenfalls nicht überschritten, auch wenn mit der getroffenen Regelung in Einzelfällen Härten verbunden sein mögen (vgl. VfSlg. 9645/1983, 11.288/1987).

Zur Verhältnismäßigkeit des Eingriffes:

... Hervorzuheben ist, dass der Gesetzgeber im Rahmen der ihm eingeräumten Gestaltungsfreiheit den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einzuhalten hat (vgl. VfSlg. 15.739/[20]00). Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz will verhindern, dass der Gesetzgeber den Bürgern unzumutbare Lasten auferlegt. Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes setzt daher eine Abwägung zwischen der gesetzgeberischen Zielsetzung und der Betroffenheit der Normunterworfenen voraus. Diese Judikatur zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber bei der rechtspolitischen Zielsetzung relativ ungebunden, bei der Auswahl der Mittel jedoch an die Prüfung der Belastbarkeit (Intensität), der Sachlichkeit, der Verhältnismäßigkeit und Gesamtbetroffenheit eines möglichst großen Kreises von Normunterworfenen gebunden ist.

... Wie den Erläuterungen zum Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000 (SVÄG 2000) zu entnehmen ist, war die Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsfähigkeit) in den einschlägigen Sozialversicherungsgesetzen von zwei wesentlichen Motiven geprägt (AB 187 BlgNR, 21. GP). Zum einen sollte infolge des Urteils des Europäischen Gerichtshof[es] in der Rs. C-104/98, Buchner, durch die Aufhebung dieser Pensionsart - eine gemeinschaftsrechtskonforme Rechtslage hergestellt werden. Hinsichtlich dieses Motivs ist zu bemerken, dass der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, dass die Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage einen besonderen Rechtfertigungsgrund für einen Eingriff in Rechtspositionen darstellen kann (vgl. va. VfSlg. 12.568/1990).

Nach Auffassung der Bundesregierung können diese Grundsätze ebenso für die - gemeinschaftsrechtlich gebotene - Herstellung einer gemeinschaftsrechtskonformen Rechtslage übertragen werden.

... Zum anderen ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der gänzlichen Aufhebung dieser Alterspension Einsparungen in der gesetzlichen Pensionsversicherung erzielen wollte. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes können auch Maßnahmen der Budgetkonsolidierung im öffentlichen Interesse liegen, sofern damit nicht nur punktuell gezielt eine kleine Gruppe von Rechtsunterworfenen belastet wird (vgl. VfSlg. 11.665/19[8]8, 14.867/1997, 14.888/1997, G59/00, 15.269/1998). Damit kann nach Auffassung der Bundesregierung im Ergebnis davon ausgegangen werden, dass die Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsfähigkeit) jedenfalls als im öffentlichen Interesse gelegen zu qualifizieren ist.

Dass der zur Regelung eines einheitlichen Anfallsalters für Männer und Frauen aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen verpflichtete Gesetzgeber nicht die Lösung eines niedrigeren Anfallsalters für Männer wählen konnte, ergibt sich schon daraus, dass überwiegend Männer eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab einem bestimmten Alter (ob 55 oder 57 Jahre) in Anspruch nehmen; hätte nun der Gesetzgeber die Vorgabe einer einheitlichen Altersregelung durch eine (neuerliche) Absenkung des Anfallsalters für Männer gewählt, hätte er nicht nur das Ziel der Budgetkonsolidierung (angesichts des Bundesbeitrages zur Pensionsversicherung) gefährdet, sondern auch das langfristige Ziel der Sicherung der Finanzierbarkeit der Pensionen schlechthin.

Wenn der Gesetzgeber aus staatsbudgetären Gründen - wobei von einer mittelfristigen Belastung von 10 Mrd. S auszugehen war - eine Umwandlung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) vorsieht, wobei für die überwiegende Anzahl männlicher Versicherter weiterhin ein Tätigkeitsschutz bei einem seit Jahren bekannten Anfallsalter bestand, so ist die Nachfolgeregelung unter diesem Gesichtspunkt jedenfalls sachgerecht und die Aufhebung der in Rede stehenden Alterspension nicht überschießend.

Dass durch die Aufhebung dieser Pension nicht nur eine kleine Gruppe von Rechtsunterworfenen belastet wird, zeigt sich zum einen daran, dass auch in den anderen Sozialversicherungsgesetzen die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsfähigkeit) aufgehoben wurde (vgl. etwa die Aufhebung des § 122c BSVG). Zum anderen ist diese Aufhebung im Zusammenhalt mit den umfassenden gesetzlichen Änderungen im Zuge des SRÄG 2000 zu sehen, denen vergleichbare Motive des Gesetzgebers zugrunde lagen.

... Das legitime Staatsziel der Reduzierung von Frühpensionen hat auch erstmals gegriffen und seit dem Jahr 2000 bis April 2002 eine Reduktion um 19.600 vorzeitige Alterspensionen bewirkt, wovon 6.185 Fälle nach § 253d ASVG betroffen waren. Auch daraus ist die verhältnismäßige Aufteilung, die bei der Gewichtung der Maßnahmen der Pensionsreform 2000 getroffen wurde, ersichtlich, was ebenfalls für die Verfassungskonformität der in Rede stehenden Regelung spricht.

Damit ist ersichtlich, dass die in Prüfung gezogenen Regelungen zum einen zwecks Budgetkonsolidierung und zur weiteren Finanzierbarkeit der Pensionen und zum anderen aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen im öffentlichen Interesse gelegen sind. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der oben dargestellten mangelnden Intensität eines Eingriffes in eine allenfalls geschützte Vertrauensposition erscheinen die angefochtenen gesetzlichen Änderungen im Zuge des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 43, im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch verhältnismäßig.

... Hinsichtlich weiblicher Versicherter sei zur Untermauerung der Verfassungskonformität der in Rede stehenden Bestimmungen ergänzend auf folgende Punkte hingewiesen. Aus dem dem Verfahren G202/02 zugrunde liegenden Fall ist nicht ableitbar, ob mit der relativ frühen Antragstellung die Pensionsleistung noch schnell gesichert werden sollte, zumal im Februar 2000 durch viele Medienberichte das Ziel der Abschaffung dieser Leistung bereits erkennbar war. Aus diesem Grund wäre auch ein Vertrauensschutz zu verneinen, zumal aus dem Beschluss des Obersten Gerichtshofes auch das medizinische Leistungskalkül der Klägerin nicht ersichtlich ist. Wäre dieses gravierend, so stünde der Klägerin eine Invaliditätspension offen, sodass damit aus der Sicht des Gesamtsystems keine beachtliche Lücke für die Versicherten entstanden sein dürfte.

Hinsichtlich der weiblichen Versicherten erscheint die Anhebung der Altersgrenze von 55 auf 57 Jahre ab 1. Juli 2000 bei der Neufassung des § 255 Abs4 ASVG verfassungskonform, zumal der mildere Berufsschutz damit nichtgänzlich unerreichbar erscheint. Darüber hinaus rechtfertigen auch in diesem Zusammenhang die dargestellten Motive des Gesetzgebers die vorgenommene Anhebung. Hinsichtlich weiblicher Versicherter ist der Vertrauensschutz auch deshalb zu relativieren, weil die Anhebung des Anfallsalters für Frauen von zwei Jahren beim milderen Berufsschutz innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes liegt, die Intensität sich in gravierenden Fällen durch die 'normale' Invaliditäts-(Erwerbsunfähigkeits)pension abschwächt und von der Abschaffung des § 253d ASVG zu 89% Männer betroffen waren.

Generell gab es im Jahr 2000 eine Anzahl von 89.202 vorzeitigen Alterspensionen wegen geminderter Arbeits(Erwerbsun)fähigkeit (höchster Stand trotz Abschaffung dieser Leistung ab 1. Juli 2000). Davon betrug der Anteil der Frauen zahlenmäßig nur 10.038, der noch dazu seit 1997 (Stand: 11.922) eine um 15% fallende Tendenz aufwies. Somit war diese Leistung zu 89% eine spezielle vorzeitige Alterspension für Männer, sodass bei einer Durchschnittsbetrachtung die Frauen nur zu einem geringen Teil davon erfasst waren (siehe Grillitsch/Haydn 'Die österreichische Sozialversicherung im Jahre 2001', Soziale Sicherheit Nr. 6/2002, S. 271).

... Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass aus Sicht der Bundesregierung eine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen des ArtI des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 43, nicht gegeben ist.

... Statistische Daten und finanzielle Auswirkungen

Zur Darlegung der Effektivität der in Rede stehenden gesetzlichen Änderungen im Zuge des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 43, erlaubt sich die Bundesregierung abschließend auf die finanziellen Auswirkungen dieser Maßnahmen hinzuweisen.

... Statistische Daten aus der Pensionsversicherung:

Zeitgleich mit der Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit wurde als flankierende Maßnahme der Zugang zur Invaliditätspension/Erwerbsunfähigkeitspension erleichtert. Die Pensionsneuzuerkennungen dieser beiden Pensionsarten zeigen folgendes Bild:

Die Zahl der Neuzuerkennungen von vorzeitigen Alterspensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit lag im Jahr 1999 bei 14.435 und im Jahr 2000 bei 15.927. Im Jahr 2001 betrug sie hingegen nur mehr 2.657 (-83 %).

Die Zahl der Neuzuerkennungen von Invaliditätspensionen lag im Jahr 1999 bei 15.610, im Jahr 2000 hingegen bei 18.451 (+18 %) und im Jahr 2001 bei 22.024 (+19%).

Der Rückgang der Neuzuerkennungen bei den vorzeitigen Alterspensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit und der Anstieg der Neuzuerkennungen bei den Invaliditätspensionen machten sich ab September 2000 deutlich bemerkbar.

In Summe war bei den Neuzuerkennungen beider Pensionsarten im Jahr 2000 mit 34.378 Neuzuerkennungen gegenüber 1999 ein Anstieg um 14 % und im Jahr 2001 mit 24.681 gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um 28 % zu verzeichnen (Beilage 1).

Die flankierende Maßnahme des erleichterten Zugangs zur Invaliditätspension/Erwerbsunfähigkeitspension hat also insofern gewirkt, als der Rückgang bei den vorzeitigen Alterspensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zumindest zum Teil durch die Zunahme der Neuzuerkennungen von Invaliditätspensionen kompensiert wurde.

Das durchschnittliche Zugangsalter bei Invaliditätspensionen stieg im Jahr 2001 im Vergleich zum Jahr 2000 von 50,8 auf 52,4 Jahre (Männer: von 51,8 auf 53,4 Jahre und Frauen von 49,2 auf 50,4 Jahre). Dies ist eine unmittelbare Folge der flankierenden Maßnahme, da vermehrt Personen zwischen 55 und 60 Jahren eine Invaliditätspension angetreten haben (Beilage 2).

... Statistische Daten des AMS:

Ein Blick auf die Arbeitslosenstatistik zeigt, dass die Zahl der gemeldeten männlichen Arbeitslosen der Altersgruppe 55 bis 59 sowohl im Jahr 2000 als auch im Jahr 2001 jeweils im Vergleich zum Vorjahr rückläufig war. Bei den Frauen der selben Altersgruppe trifft dies auf das Jahr 2000 und die erste Hälfte des Jahres 2001 ebenfalls zu. Es gibt also aus der Arbeitslosenstatistik kein Indiz dafür, dass die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zu einem plötzlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Altersgruppe 55 bis 59 geführt haben könnte (Beilage 3).

Ein sehr ähnliches Bild zeigt die Entwicklung der Zahl der Leistungsbezieher aus der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe) in der Altersgruppe 55 bis 59.

Auch aus den Leistungsbezieherdaten des AMS lässt sich nicht ablesen, dass durch die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit vermehrt Personen zwischen 55 und 60 in die Arbeitslosigkeit gedrängt wurden (Beilage 4).

Betrachtet man den Anteil der unselbständig Beschäftigten (ohne Beamte) an der Bevölkerung für die Altersgruppe 57 bis 59, so zeigt sich von 2000 auf 2001 ein Anstieg (Beilage 5).

Die Zahl der Krankenstandstage, die auf die Altersgruppe 55 bis 59 entfallen, lag im Jahr 2000 mit 3,61 Mio. um 6 % niedriger als im Vorjahr und im Jahr 2001 mit 3,29 Mio. deutlich unter denen des Vorjahres (-9 %). Für alle Krankenversicherten lag sie 2001 um 2 % niedriger als im Jahr 2000. Auch für einen sprunghaften Anstieg der Krankenstände in der Altersgruppe 55 bis 60 gibt es daher kein Indiz.

... Finanzielle Auswirkungen:

Die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit diente nicht primär nur kurzfristigen budgetären Zwecken, sondern verfolgte daneben sehr wohl auch langfristige Aspekte der Finanzierbarkeit der Pensionen. Die Einsparungen trugen bzw. tragen sowohl zur Budgetkonsolidierung bei als auch zur nachhaltigen und dauerhaften Eindämmung der Zuwachsraten beim Bundesbeitrag zur Pensionsversicherung.

Der Einsparungseffekt der Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ohne flankierende Maßnahmen wurde vorab wie folgt geschätzt:

2000

600 Mio. S

 

2001

1.300 Mio. S

 

2002

3.900 Mio. S

(283.424.053,25 €)

2003

6.500 Mio. S

(472.373.422,09 €)

2004

9.500 Mio. S

(690.391.924,59 €)

Die Mehraufwendungen durch diese flankierende Maßnahme wurden wie folgt geschätzt:

2000

300 Mio. S

 

2001

650 Mio. S

 

2002

1.950 Mio. S

(141.712.026,63 €)

2003

3.250 Mio. S

(236.186.711,05 €)

2004

4.750 Mio. S

(345.195.962,30 €)

In Summe wurden die Einsparungen für die Pensionsversicherung und den Bund in folgender Höhe angesetzt:

2000

300 Mio. S

 

2001

650 Mio. S

 

2002

1.950 Mio. S

(141.712.026,63 €)

2003

3.250 Mio. S

(236.186.711,05 €)

2004

4.750 Mio. S

(345.195.962,30 €)

Nachträglich wurden die Auswirkungen der beiden Maßnahmen evaluiert und ergaben für das Jahr 2001 Einsparungen beim Pensionsaufwand und damit beim Beitrag des Bundes zur Pensionsversicherung in Höhe von 1,128 Mrd. Schilling (Beilage 6).

In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass der Bundesbeitrag in der Pensionsversicherung in absoluten Zahlen von 1990 bis 1999 um rund 14 Mrd. S gestiegen war, obwohl in diesem Zeitraum einige Konsolidierungsversuche mit Pensionsreformen stattgefunden haben; zu Beginn des Jahres 2000 wurde eine weitere größere Reform bei den jeweiligen Koalitionsverhandlungen von SPÖ und ÖVP sowie von ÖVP und FPÖ überlegt, um vor allem den bis dahin kontinuierlichen Anstieg der Frühpensionen zu bremsen.

Mit Jahresabschluss 2000 gelang es tatsächlich, den Bundesbeitrag zur Pensionsversicherung um 3,8 Mrd. S und seit 1990 um 4,9 % beim gesamten Pensionsaufwand zu verringern, wobei aber wesentliche Transferzahlungen (11,4 Mrd. S) aus der Arbeitslosenversicherung, der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und dem Familienlastenausgleichsfonds erfolgten. Eine jährliche zusätzliche Belastung durch etwa 10.000 Pensionsbezieher von 2,8 Mrd. S (ohne Anpassung) hätte das Versicherungssystem neuerlich gravierend in Frage gestellt.

Da ohnedies - nach den Angaben der Pensionsversicherungsträger - die meisten Antragsteller noch in Beschäftigung waren, bestand objektiv keine sozialpolitische Notwendigkeit, das Anfallsalter der Männer radikal für diese Gruppe zu senken, um Bonitäten einer sehr großzügigen Rechtslage festzuschreiben.

Die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG hat jenen Versicherten eine adäquate Möglichkeit eröffnet, die tatsächlich an wesentlichen gesundheitlichen Einschränkungen zu leiden hatten und wegen starker Berufstätigkeitsbelastung (mindestens 120 Ausübungsmonate innerhalb der letzten 180 Monate im Kernbereich der Stammtätigkeit) in ihrer Arbeitsfähigkeit gemindert waren.

Bei Erfüllung dieser Voraussetzungen des § 255 Abs 4 ASVG idF des SVÄG 2000 erlangten ohnedies sehr viele männliche Pensionswerber aufgrund des § 587 Abs 4 ASVG bereits ab dem 55. Lebensjahr den Pensionsanspruch, sodass die knappen Ressourcen des Bundesbeitrages zur Pensionsversicherung hiefür eingesetzt werden mussten.“

4. Auch die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter sowie der Kläger des Anlaßverfahrens zu G186/02 haben - letzterer unter Verzeichnung von Kosten - Äußerungen erstattet; die klagende Partei bringt in ihrem Schriftsatz weitere Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen vor.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - gem. § 463 Abs 1 iVm § 187 Abs 1 ZPO ( § 35 Abs 1 VfGG) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen - Anträge erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Gemäß Art 89 Abs 2 B-VG hat ein zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständiges Gericht, falls es gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung dieses Gesetzes zu beantragen (vgl. auch Art 140 Abs 1 erster Satz B-VG).

Wie der Verfassungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, hält er sich nicht für berechtigt, bei der Prüfung der Frage, ob die Vorschrift, deren Verfassungswidrigkeit behauptet wird, für die Entscheidung des Gerichtes präjudiziell ist, das Gericht an eine bestimmte Auslegung zu binden und damit auf diese Art der gerichtlichen Entscheidung indirekt vorzugreifen. Ein Mangel der Präjudizialität liegt daher nur dann vor, wenn die zur Prüfung beantragte Bestimmung ganz offenbar und schon begrifflich überhaupt nicht - dh. denkunmöglich - als eine Voraussetzung des vom antragstellenden Gericht zu fällenden Urteils in Betracht kommen kann (vgl. VfSlg. 6278/1970 und die dort angeführte Rechtsprechung, ferner zB VfSlg. 7999/1977, 8136/1977, 8318/1978, 8871/1980, 9284/1981, 9811/1983, 9911/1983, 10.296/1984, 10.357/1985, 10.640/1985, 11.565/1987, 12.189/1989).

Im vorliegenden Fall ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der zur Aufhebung beantragten Gesetzesstellen zweifeln ließe:

Die Anfechtung all jener Novellenbestimmungen des SVÄG 2000, mit denen die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 253d ASVG) aufgehoben wurde, - anstelle der Anfechtung der entsprechenden novellierten Bestimmungen des ASVG in der Fassung des SVÄG 2000 - ist hier zulässig: Wird eine Bestimmung durch eine Gesetzesnovelle aufgehoben und bestehen gegen diese Aufhebung - wie der OGH ausführt - verfassungsrechtliche Bedenken wegen ihrer Plötzlichkeit, dann muß sich eine solche, sich der Sache nach auf das Fehlen von Ausnahmen oder Übergangsbestimmungen stützende Anfechtung notwendigerweise gegen jene Novellenbestimmungen richten, welche die Aufhebung bewirken. Aus diesem Grund ist die Anfechtung nur der Novelle zulässig (vgl. auch das Erkenntnis vom 29.6.2002, G275/01, [24 ff]).

Da auch sonst keine Verfahrenshindernisse ersichtlich sind, erweisen sich die Anträge somit insgesamt als zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Der OGH hegt gegen die angefochtenen Bestimmungen das Bedenken, daß mit der ohne Übergangsregelung erfolgten Aufhebung der Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit der Gleichheitssatz verletzt worden wäre, da dies zu einer abrupten Anhebung des Anfallsalters von 55. auf das 57. Lebensjahr geführt hätte. Es habe ein Eingriff in eine schützenswerte Vertrauensposition stattgefunden.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. v.a. VfSlg. 11.665/1988 sowie VfSlg. 14.864/1997) dargetan, daß keine Verfassungsvorschrift den Schutz erworbener Rechtspositionen gewährleistet, sodaß es im Prinzip in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers fällt, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern. Er hat aber auch stets betont, daß der Gesetzgeber durch den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitssatz gehalten ist, dem Vertrauensschutz bei seinen Regelungen Beachtung zu schenken. Er hat daher nicht nur (echte) Rückwirkungen von gesetzlichen Regelungen, sondern auch Eingriffe in bestehende Rechtspositionen unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes geprüft. Im Erkenntnis VfSlg. 12.186/1989 hat der Gerichtshof - unter Vertiefung früherer Rechtsprechung - dargetan, daß gesetzliche Vorschriften mit dem Gleichheitssatz in Konflikt geraten können, weil und insoweit sie die im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage handelnden Normunterworfenen nachträglich belasten, und daß schwerwiegende und plötzlich eintretende Eingriffe in erworbene Rechtspositionen, auf deren Bestand der Normunterworfene mit guten Gründen vertrauen konnte, zur Gleichheitswidrigkeit des belastenden Eingriffes führen können. Er hat im Erkenntnis VfSlg. 12.322/1990 daraus abgeleitet, daß es zur Beurteilung der Gleichheitskonformität insbesondere von Bedeutung sei, ob Normunterworfene bei einem Eingriff in ihre Rechtsposition in einem Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht werden, auf das sie sich berechtigterweise berufen konnten, und nicht etwa besondere Umstände vorliegen, die eine solche Rückwirkung - beispielsweise um einen gleichheitswidrigen Zustand zu beseitigen - verlangen (vgl. auch VfSlg. 12.485/1990, 12.944/1991). In dieser Rechtsprechung kommt jedoch auch zum Ausdruck, daß die Aufhebung oder Abänderung von Rechten, die der Gesetzgeber zunächst eingeräumt hat, sachlich begründbar sein muß. Eingriffe in bestehende Rechtspositionen, auch wenn sie im übrigen sachlich gerechtfertigt sind, sind aber nicht in jedweder Art und in jedweder Intensität zulässig (s. v.a. VfSlg. 11.309/1987).

2.3. Der Gesetzgeber verletzt den Gleichheitssatz also etwa dann, wenn er bei Änderung der Rechtslage plötzlich - ohne entsprechende Übergangsregelung - und intensiv in erworbene Rechtspositionen eingreift, wobei dem Vertrauensschutz (s. dazu v.a. VfSlg. 11.288/1987) gerade im Pensionsrecht besondere Bedeutung zukommt (s. dazu v.a. VfSlg. 12.568/1990, 14.090/1995). Das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage genießt jedoch als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. VfSlg. 11.368/1987, 13.461/1993, 13.657/1993).

3.1. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich veranlaßt, die Prüfung der Frage, ob der Gesetzgeber mit der vom OGH angefochtenen Bestimmung den Vertrauensschutz im soeben erwähnten Sinne verletzt hat, in den Rahmen folgender Erwägungen zu stellen:

3.1.1. Den in die Versicherungspflicht einbezogenen Personen müssen - wenn auch in Abhängigkeit von der Erfüllung gewisser Mindestanspruchsvoraussetzungen - grundsätzlich Leistungsansprüche zustehen (zur Verknüpfung von möglichem Leistungsanspruch und Versicherungspflicht schon aus kompetenzrechtlicher Sicht vgl. aus jüngerer Zeit die Erkenntnisse vom 19.6.2001, G115/00 u.a. sowie vom 7.3.2002, G219/01), wenngleich diese nicht notwendigerweise der Beitragsleistung äquivalent sein müssen (vgl. die Erkenntnisse vom 19.6.2001, B864/98 und vom 14.3.2002, G217/01). Im System der gesetzlichen Pensionsversicherung werden mit den Beiträgen jeweils die laufenden Pensionen der Leistungsbezieher (dh. eines von den Beitragszahlern grundsätzlich verschiedenen Personenkreises) finanziert, nicht aber Ansprüche der Beitragszahler „angespart“. Es gelten daher im allgemeinen auch nicht versicherungs-mathematische Grundsätze, sondern es herrscht das Prinzip des sozialen Ausgleichs. Die Verpflichtung zur Beitragszahlung (welche an sich einen Eingriff in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentumsrecht darstellt) ist im Rahmen dieses sog. „Generationenvertrages“ unter dem Gesichtspunkt sachlich zu rechtfertigen, daß ein der Versicherungsgemeinschaft angehörender Beitragszahler im Versicherungsfall auch selbst durch dieses System jedenfalls so weit geschützt wird, daß er in Abhängigkeit vom Ausmaß seiner Beitragszahlungen grundsätzlich eine nicht außer Verhältnis zu seinem früheren Erwerbseinkommen stehende Versorgung für eben dieselben Versicherungsfälle erwarten kann (also für den Fall des Alters, der Invalidität und für Angehörige im Falle des Todes).

3.1.2. Der Verfassungsgerichtshof hat aber auch bereits entschieden, daß bei der Novellierung von Regelungen, die (Alters-)Pensionen betreffen (entweder in Form der direkten Reduzierung ihrer Höhe oder in Form von Ruhensbestimmungen) besonders ins Gewicht fällt, daß die in Betracht kommenden Personen schon während ihrer aktiven Berufstätigkeit den Standard ihrer Lebensführung auf den Bezug einer später anfallenden Pension einrichten: Häufig hätten Pensionisten jahrzehntelang Beiträge in der Erwartung entrichtet, daß durch die Pensionierung kein erhebliches Absinken des während der Aktivzeit erzielten Standards der Lebensführung eintreten werde; mit einer bestimmten Pensionsregelung seien daher auch Erwartungen der Betroffenen verbunden. Sie vertrauen darauf, daß diese Erwartungen nicht durch plötzliche, ihre Lebensführung direkt treffende Maßnahmen des Gesetzgebers beeinträchtigt werden. Eine Mißachtung dieses Vertrauens wiege bei Pensionisten besonders schwer, weil sie sich nachträglich meist nicht mehr auf geänderte Umstände einstellen könnten, wenn ihre Erwartungen infolge einer Änderung der Gesetzeslage nicht erfüllt würden (VfSlg. 11.665/1988; ähnlich VfSlg. 14.846/1997).

3.1.3. Es ist aber selbst ein Eingriff in bestehende Leistungen (oder effektuierte Anwartschaften vgl. die allgemeinen Darlegungen zu dieser Frage im Erkenntnis vom 10.10.2002, G42/02 u.a. - rückwirkende Beseitigung einer Pensionsleistung im BSVG) nicht schlechthin unzulässig, wenngleich - wieder je nach Intensität - ein entsprechendes Gewicht des öffentlichen Interesses erforderlich ist, um ihn sachlich rechtfertigen zu können. Daher ist auch bei einem Eingriff in die vorhin dargestellten Vertrauenspositionen (also in noch nicht effektuierte Anwartschaften) im Zuge der vorzunehmenden Güterabwägung der Intensität des Eingriffs ua. das Gewicht der den Eingriff tragenden öffentlichen Interessen (zB der Grad der Unvermeidbarkeit des Eingriffes zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Systems) gegenüberzustellen (vgl. etwa zur Rechtfertigung von Pensionskürzungen durch Abschläge von durchschnittlich 10% unter Bedachtnahme auf das Gewicht des öffentlichen Interesse einer Einschränkung der Zahl der Frühpensionierungen in VfSlg. 15.269/1998; zur vorzeitigen Zurücknahme einer Bemessungsbegünstigung im Zuge einer Pensionsbemessungsreform vgl. die Erwägungen des Erkenntnisses VfSlg. 11.288/1987). Ein an sich gravierender Eingriff kann im Hinblick darauf verfassungsrechtlich unbedenklich sein, daß er über einen gewissen Zeitraum bzw. für bestimmte Altersgruppen durch Einschleifregelungen in seiner Wirkung gemildert und abgefedert wird (zur Rechtfertigung der Abschaffung der beitragsfreien Berücksichtigung von Ersatzzeiten durch entsprechende Einschleifregelungen vgl. VfSlg. 12.732/1991).

3.1.4. Während das im Gesetz vorgesehene Mindestalter für eine Alterspensionsleistung im besonderen Maße zu „Vorwirkungen“ im Sinne des vorhin erwähnten Phänomens führt, daß sich die Versicherten in ihrer Lebensplanung zunehmend darauf einstellen, ab einem bestimmten Alter aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und dann ein Einkommen in einer bestimmten Relation zu jenem während des Erwerbslebens erwarten zu können, trifft dies auf den Versicherungsfall der geminderten Erwerbsfähigkeit wegen der Unvorhersehbarkeit des Zeitpunktes des Eintritts der damit verbundenen Leidenszustände so nicht zu.

3.2. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund erweist sich der Antrag des Obersten Gerichtshofes im Ergebnis als unbegründet. Eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (welcher allenfalls durch Übergangs- und Einschleifregelungen hätte begegnet werden müssen) liegt aus folgenden Gründen nicht vor:

3.2.1. a) Nach jener Rechtslage, die vom Inkrafttreten des Strukturanpassungsgesetzes 1996 bis zum EuGH-Urteil „Buchner“, Rs. C-104/98 vom 23.5.2000 in Geltung gestanden ist, hatten männliche Versicherte einen Anspruch auf die Pensionsleistung gem. § 253d ASVG erst ab Vollendung des 57. Lebensjahres, weibliche Versicherte hingegen schon ab Vollendung des 55. Lebensjahres. Mit der Veröffentlichung des Urteils des EuGH war klargestellt, daß diese gesetzliche Differenzierung mit unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar war, sodaß - auf Grund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes - ab sofort auch Männern die Versicherungsleistung ab Vollendung des 55. Lebensjahres zuerkannt werden mußte.

b) Im Falle einer Verletzung eines gemeinschafts-rechtlichen Diskriminierungsverbotes ist der Gesetzgeber ganz allgemein nicht gehalten, die erforderliche Korrektur der Rechtslage nach der für die Versicherten günstigeren Variante auszurichten. Angesichts der durch die „Buchner“-Entscheidung des EuGH erforderlichen Herstellung einer gemeinschaftsrechtskonformen Rechtslage war eine möglichst rasch wirksame Gesetzesänderung zur Beseitigung der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit erforderlich. Dem Gesetzgeber kann hier angesichts der von der Bundesregierung dargelegten, ansonsten drohenden budgetären Auswirkungen für die Finanzierung der Pensionen (welche gerade durch die mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 erfolgte Hinaufsetzung des Anfallsalters für männliche Versicherte auf das 57. Lebensjahr gesteuert werden sollten) daher nicht entgegengetreten werden, wenn er die gemeinschaftsrechtlich gebotene Gleichsetzung (erstens) rasch und (zweitens) an der oberen und nicht an der unteren Altersgrenze vorgenommen hat.

c)Der Gesetzgeber hat mit der Aufhebung des § 253d ASVG gleichzeitig in § 255 Abs4 ASVG (insoweit eine im großen und ganzen schon seit der 35. Novelle bis zur 51. Novelle zum ASVG bestehende Rechtslage mit einigen Abweichungen wiederherstellend) die Möglichkeiten, eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Erwerbsfähigkeit zu erlangen, an anderer Stelle erweitert und damit im Ergebnis eine der aufgehobenen ähnliche Pensionsart, allerdings mit der Maßgabe eines höheren Anfallsalters auch für Frauen (57. anstelle des 55. Lebensjahres), des Erfordernisses der gleichartigen Beschäftigung durch 120 Kalendermonate (statt während der Hälfte der Beitragsmonate) während der letzten 15 Jahre und der hinzutretenden Bedachtnahme auf eine zumutbare Änderung der überwiegend ausgeübten Tätigkeit, weiterhin vorgesehen. Er hat daher - betrachtet man das System der Pensionen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit nach dem ASVG insgesamt - von vornherein nur in einen Teilbereich dieser Pensionsansprüche eingegriffen.

3.2.2. Seit der mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 § 253d ASVG erhöhten Altersgrenze von 57 Jahren für männliche Versicherte konnten diese bis zur Kundmachung des „Buchner“-Urteils auch wenn eine entsprechende Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bereits eingetreten war, nur darauf vertrauen, eine Leistung ab der Vollendung des 57. Lebensjahres zu erhalten. Das „Buchner“-Urteil des EuGH begründet zunächst für sich allein genommen noch kein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen auf den auch künftig unveränderten Fortbestand der sich aus dieser Entscheidung ergebenden Rechtslage, wie der Verfassungsgerichtshof für Entscheidungen von Höchstgerichten ganz allgemein schon in VfSlg. 15.319/1998 ausgesprochen hat. Bei männlichen Versicherten konnte daher angesichts der sehr kurzen Zeitspanne, in denen bei Vorliegen aller Voraussetzungen Erfolg versprechend ein Antrag auf Gewährung einer Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit für Männer schon vor Vollendung des 57. Lebensjahres gestellt werden konnte, eine schutzwürdige Vertrauensposition auf Fortbestand dieser Rechtslage, auf die der Gesetzgeber in dieser Situation hätte Bedacht nehmen müssen, von vornherein nicht entstehen.

3.2.3. Aber auch bei weiblichen Versicherten (wie jener im Verfahren zu G202/02), die zum Zeitpunkt der Aufhebung dieser Pensionsart aufgrund der jahrelang unveränderten Rechtslage faktisch mit der Möglichkeit einer Zuerkennung dieser Pension bei Vollendung des 55. Lebensjahres (und nicht erst des 57. Lebensjahres unter deutlich erschwerten Voraussetzungen) rechnen konnten, wurden letztlich durch die gesetzgeberische Maßnahme jene Schranken, welche die Verfassung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes einem derartigen Eingriff setzt, (noch) nicht verletzt:

Soweit der OGH diesen Vertrauensschutz aus der im Gesetz vorgesehen gewesenen Voraussetzung einer Minderung der Arbeitsfähigkeit seit mindestens 20 Wochen ableiten möchte (womit der Sache die Auffassung vertreten wird, daß der Gesetzgeber zumindest jene Fälle mit einer Sonderregelung hätte bedenken müssen, bei denen sowohl das Anfallsalter als auch die entsprechende Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb der letzten 20 Wochen vor der Kundmachung des SVÄG 2000 eingetreten waren), ist ihm dem Sinne nach das zuvor für die männlichen Versicherten Gesagte entgegenzuhalten. Ein „begründetes Vertrauen“ einer in ihrer Arbeitsfähigkeit geminderten Versicherten ist in diesen Fällen - falls sie sich des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen überhaupt entsprechend sicher sein konnte - zwar auf einen Fortbestand der Rechtslage enttäuscht worden; mit verfassungsrechtlich ins Gewicht fallenden Dispositionen, die aus einer Einschränkung der Arbeitsfähigkeit während dieser 20 Wochen resultieren würden, brauchte der Gesetzgeber hingegen ebensowenig zu rechnen, wie dies für den Zeitraum zwischen dem Bekanntwerden der „Buchner“-Entscheidung des EuGH und der Kundmachung des SVÄG 2000 im Falle männlicher Versicherter, die das 55. aber noch nicht das 57. Lebensjahr überschritten hatten, bereits gesagt wurde.

3.2.4. Auch die Einbeziehung des vom OGH unter Berufung auf eine Literaturstelle behaupteten Erfahrungssatzes, daß sich geminderte Arbeitsfähigkeit über einen längeren Zeitraum entwickle und die davon betroffenen Personen oft schon längere Zeit vor der Erreichung des Anfallsalters des § 253d ASVG aus dem Arbeitsleben ausgeschieden seien und im Bezug von Arbeitslosengeld stünden, führt zu keinem anderen Ergebnis:

a)Der Gesetzgeber läßt wegen der Schwierigkeit, den genauen Zeitpunkt des gesundheitsbedingten Absinkens der Arbeitsfähigkeit unter das für den Leistungsanspruch entscheidende Maß für die Vergangenheit feststellen zu können, im Dauerrecht den Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit im Zweifel mit dem Antrag eintreten (§ 223 Abs1 Z2 lita ASVG). Er darf insoweit auch im Übergang zu einer für die Versicherten nachteiligen Gesetzesänderung um leicht handhabbare Vorschriften bemüht sein (vgl. dazu etwa VfSlg. 9645/1983) und mußte daher in diesem Belang keine Sonderregelung für jene Fälle vorsehen, bei denen eine entsprechende Minderung der Erwerbsfähigkeit schon vor der Kundmachung des SVÄG 2000 eingetreten ist. Dies gilt daher auch für Personen, die alle Anspruchsvoraussetzungen der aufgehobenen Bestimmung schon vor dem 1.8.2000 erfüllt haben, aber - aus welchen Gründen immer, etwa weil sie noch weiterhin in Arbeit stehen wollten - (freiwillig) einen Antrag nicht gestellt haben.

b)Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, daß es dadurch auch zu Härtefällen kommen konnte. Diese wären aber auch durch eine Übergangsregelung, durch welche der Unterschied des Mindestalters schrittweise abgebaut worden wäre, (abgesehen von der Frage der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht) nicht vermeidbar gewesen, weil jene Personen, bei denen kurz nach Ablauf eines solchen Übergangszeitraums in einer für die Betroffenen jeweils überraschenden Weise eine entsprechende Minderung der Erwerbsfähigkeit einträte und die Voraussetzungen der soeben aufgehobenen Pensionsart erfüllt wären, ohne daß diese in den Genuß einer solchen Leistung kommen könnten, von der Gesetzesänderung immer unverhältnismäßig hart betroffen sind. Eine Übergangsbestimmung dieser Art hätte daher - selbst wenn man sie für gemeinschaftsrechtlich zulässig hielte - den von der gesetzgeberischen Maßnahme unverhältnismäßig hart betroffenen Personenkreis zwar verändern, den Eintritt eines solchen Effekts (nämlich ein krankheitsbedingtes plötzliches Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ohne Pensionsanspruch) aber im Ergebnis nicht vermeiden können.

3.3. Der Gesetzgeber hat somit zwar durch die vom OGH bekämpfte Maßnahme einen nicht unerheblichen Eingriff in das Pensionsrecht - bezogen auf den Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit für Arbeitnehmer, die das 57. Lebensjahr noch nicht vollendet haben -, durch die Erhöhung des Anfallsalters aber auch durch eine Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen vorgenommen. Diese Maßnahmen führen allerdings in diesem Segment des Pensionsrechts nach dem ASVG nicht zur Gänze hinter jenen Rechtszustand zurück, der erstmals mit der 35. Novelle zum ASVG ( § 255 Abs4 ASVG in dieser Fassung) geschaffen wurde und seither insgesamt mannigfachen Änderungen (auch Verschärfungen) unterworfen war. Insgesamt (dh. unter Einbeziehung des sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Erfordernisses einer unverzüglichen Gleichstellung der Geschlechter bei dieser Pensionsart und den sich daraus ergebenden budgetären Konsequenzen, sowie unter Bedachtnahme auf die dargelegten Besonderheiten, die sich aus der Anspruchsvoraussetzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ergeben) hat der Gesetzgeber mit der Aufhebung des § 253d ASVG und mit der Hinaufsetzung des Anfallsalters für eine vergleichbare Pensionsart in § 255 Abs4 ASVG um zwei Jahre, soweit diese für den Zeitraum ab Kundmachung des Gesetzes Wirkungen entfaltet (und nur um diese Wirkungen geht es im vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren angesichts der vom OGH schon aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen verneinten Wirkungen auf Leistungen mit Stichtagen vor der Kundmachung - vgl. die unter I.6. genannten Entscheidungen), die ihm bei einem Eingriff in Pensionsanwartschaften verfassungsgesetzlich gesetzten Grenzen noch nicht verletzt. Der Verfassungsgerichtshof hat im übrigen nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber damit die sachgerechteste Lösung getroffen hat; die ihm durch den Gleichheitsgrundsatz gesetzte Grenze hat er unter den gegebenen Umständen auch dann (noch) nicht überschritten, wenn mit der getroffenen Regelung Härten verbunden sein mögen (vgl. VfSlg. 9645/1983; 11.288/1987).

4. Die Anträge waren daher abzuweisen.

5. Kosten waren dem zu G186/02 beteiligten Kläger - soweit sie für eine abgegebene Äußerung begehrt wurden - nicht zuzusprechen, da es im Fall eines - wie hier - auf Grund eines Gerichtsantrages eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens Aufgabe des antragstellenden Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg. 13.040/1992, 14.314/1995, E vom 21.6.2001, G74/01).

6. Dies konnte gem. § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.